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Die Schriftleitung
Leseprobe 2
14. Sonntag im Jahreskreis
III. Lesepredigt: Satans Sturz (Lk 10,1–12.17–20)
»Wie einen Blitz sah ich den Satan aus dem Himmel stürzen.« (vgl. Lk 10,18) Diese eindrückliche Vision teilt Jesus mit seinen Jüngern. Er hatte sie ohne alle Absicherungen losgeschickt, um – genau wie er – Kranke zu heilen und die Gottesherrschaft anzusagen. Begeistert erzählen sie: »Sogar die Dämonen sind uns in deinem Namen untertan.« (Lk 10,17) Seine Vision vom Satanssturz belegt für Jesus: Das Gottesreich ist da!

Freilich: »Satan« ist hier nicht einfach der »Teufel«, wie man ihn landläufig kennt: der schlechthin Böse, der absolute Widersacher. Im damaligen Judentum gehörte die Figur des Satans zum himmlischen Hofstaat. Vor allem war er beauftragt, die Menschen vor Gott anzuklagen – als eine Art himmlischer Staatsanwalt; das erfuhr Hiob. In der Wahl seiner Mittel war Satan recht frei; Hauptsache: Schuldspruch – und damit Gottferne, Unheil. In dieser religiösen Welt gab es auch Fürsprecher und Anwälte, etwa Jeremia oder den Erzengel Michael, die gegen die gottfeindlichen Mächte kämpften, solange Gottes Herrschaft noch nicht durchgesetzt war.

Genau das aber geschieht, wenn Jesus »blitzartig« den Satan aus dem Himmel stürzen sieht: Er ist für immer entmachtet! Schluss mit dem Strafverfolger, der Menschen vor den Gerichtsstuhl Gottes zerrt. Dass jetzt Gottes Herrschaft wirklich angebrochen ist, zeigt sich ganz konkret: in den Heilungen und Dämonenaustreibungen; in der Hinwendung zu Zöllnern und Sündern, mit denen Jesus als Vertreter des Gottesreiches Mahl hält. Die Gleichnisse vom verlorenen Schaf, der verlorenen Drachme, dem verlorenen Sohn erzählen von einem Gott, der auf die Suche geht. Der »Starke ist gefesselt« (vgl. Mk 3,27), und nun können alle jubeln, denn ihre Namen sind im himmlischen Buch verzeichnet – als Gerettete, nicht mehr als Angeklagte. Diese endzeitliche Freude klingt bis in die Offenbarung des Johannes hinein: Jetzt ist gekommen »… die Königsherrschaft unseres Gottes und die Vollmacht seines Gesalbten; denn gestürzt wurde der Ankläger unserer Brüder, der sie bei Tag und bei Nacht vor unserem Gott verklagte« (Off b 12,10)! Sie stehen nun im »Lebensbuch des Lammes« (Off b 21,27). Das von Johannes dem Täufer erwartete Feuergericht Gottes über alle Umkehrunwilligen war ausgeblieben. Statt dessen gehen im Wirken Jesu plötzlich die angekündigten Zeichen der Heilszeit in Erfüllung, und Jesu Bild von Gott verändert sich so radikal, wie es ihm die Vision vom endgültigen Sturz Satans gezeigt hat. – Hat seine Kirche, die ganze Christenheit das bis heute in aller Folgenschwere angenommen und umgesetzt? Der Sturz Satans aus dem Himmel, so zeigt uns die Exegese, ist Gottes Gericht, Ausdruck seiner grenzenlosen Güte, die im Wirken Jesu aufscheint: Menschen werden heil, erfahren Gemeinschaft; sie werden aufgerichtet und befreit, wie es die Propheten für die Endzeit angesagt haben. Jetzt, mit Jesus, geschieht das alles – ein Anspruch, der vielen »zuviel des Guten« war und Jesus schließlich ans Kreuz brachte. Wäre es heute anders?

Aber ehrlich: Sind uns diese Bilder von Gottes Hofgericht, von Satan als Oberstaatsanwalt und seinem Himmelssturz nicht doch sehr fremd? Können wir eine Entsprechung finden, um die Wucht dieser biblischen Bildwelt zu erfassen? Eine Verstehenshilfe – ich deute sie nur an – kann uns etwa die Tiefenpsychologie bieten: Wir alle kennen das grausame innerseelische Spiel von Verfolgung, Anklage und Verdammung. Nur dass der Ankläger oder Staatsanwalt keine mythische Figur des Himmels ist, sondern die religiös geprägte, anklagende Stimme unseres Über-Ich-Gewissens mit ihren destruktiven, lebensfeindlichen Zügen. Zu dem Gottesbild, das hinter dieser inneren Gerichtsszene steht, passt freilich die Vision Jesu wie die Faust aufs Auge: Sein Gott braucht keinen Ankläger und Strafverfolger »bei Tag und Nacht« mehr. Er erweist seine Größe und Macht als barmherziger Vater, der seine Sonne aufgehen lässt über Böse und Gute und regnen lässt über Gerechte und Ungerechte (vgl. Mt 5,45). Seit Jesu Vision von der endgültigen Entmachtung des satanischen Anklägers ist der Christ auch nicht mehr »das Wesen, das sich anklagt« (E. Mounier). Nein, wo Gott selbst für das Ende des Anklagens sorgt, da ist wohl Selbstkritik, aber keine lebensfeindliche Selbstanklage mehr angesagt. Wir müssen »nur« offen und bereit sein für den Gott, der als »Freund des Lebens« ständig nach uns sucht.

Heribert Wahl

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