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Wort an die Leser
Wer »Framing« (von frame, engl. für Rahmen) bewusst einsetzt, steuert Emotionen und Verhaltensimpulse. Jeder kennt das Beispiel vom halb leeren beziehungsweise vom halb vollen Glas. Es geht nicht nur um den objektiv messbaren Inhalt, sondern auch darum, ob der Blick auf das gelenkt wird, was man nicht hat (engl. loss frame), oder auf das, was man hat (engl. gain frame); und das wird Unterschiedliches auslösen.

Die Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling, in letzter Zeit bekannt geworden durch ihr Buch »Politisches framing« und ihre Beratertätigkeit zum Sprachgebrauch von Organisationen, erklärt es so: »Ein Frame ist ein Deutungsrahmen. Unser Gehirn hat davon sehr viele, sie sind durch unsere Erfahrung mit der Welt entstanden, und sie helfen, Fakten zu bewerten und einzuordnen. Aktiviert werden sie durch Wörter. Stellen Sie sich beispielsweise vor, Sie seien krank und müssten darüber entscheiden, ob Sie operiert werden wollen. Ein Arzt sagt Ihnen, dass es eine zehnprozentige Sterbewahrscheinlichkeit gebe. Ein anderer Arzt sagt, dass Sie die Operation mit neunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit überleben würden. Die Fakten sind die gleichen, aber Sie entscheiden sich jeweils anders. Die beiden Wörter ›sterben‹ und ›leben‹ verändern Ihre Wahrnehmung – ohne dass Sie es merken. Wer glaubt, wir Menschen würden nur auf Basis von Fakten entscheiden, unterliegt einer Illusion.« (zit. nach https://www.zeit.de/2016/10/sprache-manipulation-elisabeth-wehling ; eingesehen am 9.03.2019)

Deutungsrahmen verfestigen sich, je öfter man sie verwendet oder hört und leiten schließlich ganz selbstverständlich den Blick, in dem Sachverhalte wahrgenommen werden, sie beeinflussen das Empfinden und das Verhalten, außer man macht sich den Vorgang und die steuernden – oder gar manipulierenden – Wirkungen bewusst.

Was lernen wir Predigende daraus? Ich meine vor allem dies: Wie sonst kaum eine Profession sind wir Experten darin, mit der Wirkung unterschiedlicher Frames umzugehen. Allein schon der Umstand, dass die Urdaten unserer Religion uns in den unterschiedlichen Deutungsrahmen von vier Evangelien vorliegen, hat uns durch und durch sensibilisiert für das, was jenseits der Fakten mitschwingt, beeinflusst und wirkt. Es gehört zu unseren Aufgaben, diese Kompetenz an unsere Hörer weiterzugeben. Grundsätzlich gefragt: Lässt sich Predigen geradezu dadurch definieren, Lebensrealitäten in Frames der Frohen Botschaft, in Deutungsmustern des Glaubens neu wahrnehmen zu lassen?

Thomas Luksch

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