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Leseprobe 1
Dreifaltigkeitssonntag
III. Lesepredigt: Zwischen Fülle und Begrenzung – Gott im Gespräch (thematisch)
Das Gespräch zwischen den Religionen ist heute mehr denn je Herausforderung und Chance zugleich. Wo immer Christen etwa mit Muslimen in den Austausch kommen, steht häufig die Anfrage – vielleicht sogar der Vorwurf – seitens des Islams im Vordergrund: Ihr Christen bekennt ja drei Götter; das lehnen wir entschieden ab. Ähnlich das Judentum.

Der Dreifaltigkeitssonntag gibt Gelegenheit, sich klarer zu werden, was mit dieser Aussage: »Gott ist Einer in drei Personen« gemeint ist. Entstanden ist diese Aussage in einer langen, teils mühsamen und konfliktreichen Diskussion in den ersten vier Jahrhunderten des Christentums. Erwachsen ist dieser Gedanke der »Trinität« aus der Wahrnehmung, dass sich Gott in verschiedenen Erscheinungsweisen gezeigt hat: als der Schöpfer dieser Welt, als der Sohn, der das menschliche Leben und Sterben geteilt hat, und als der Geist, der alle, die sich in der Taufe von diesem Gott prägen lassen, mit seiner Kraft und Lebendigkeit erfüllen will. Lange hat die frühe Kirche mit dem Missverständnis gerungen, es handle sich um drei verschiedene Götter; die Ostkirche spricht daher nicht von »Drei-faltigkeit«, sondern von »Drei-einigkeit«.

Wenn wir heute Drei-einigkeit bedenken, kann uns daran bewusstwerden, dass wir Gott erfahren, erkennen und diese Erfahrung in Worte fassen können – und zugleich, dass wir Gott niemals vollständig »fassen« können. Wir sprechen von dem, was wir erkannt haben und immer wieder wahrnehmen – und zugleich ist »Gott« unendlich mehr. Was kann es für uns bedeuten, unseren Gott in dieser Vielfalt und Unendlichkeit zu bekennen? Es ist die Erfahrung von Fülle und Begrenzung zugleich.

»Fülle« erfahren wir in der Lebendigkeit und Beziehungsfähigkeit Gottes, die der schweizerische evangelische Pfarrer Kurt Marti staunend wahrnimmt: »Am Anfang also Beziehung. / Am Anfang: Rhythmus. / Am Anfang: Geselligkeit. / Und weil Geselligkeit: Wort. / Und im Werk, das sie schuf, / suchte die gesellige Gottheit sich / neue Geselligkeiten. / Weder Berührungsängste / noch hierarchische Attitüden. / Eine Gottheit, die vibriert / vor Lust, vor Leben. / Die überspringen will / auf alles, auf alle.«1

Kurt Marti zitiert in seinem Text den Anfang des Johannesevangeliums: »Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort.« (Joh 1,1) Erasmus von Rotterdam, Humanist und Zeitgenosse Luthers, hat wie dieser den griechischen Text der Bibel ins Deutsche übersetzt. Bei ihm heißt der Anfang des Johannesprologs: »Im Anfang war das Gespräch.« Dabei hat er die breite Bedeutung des Wortes logos aus dem griechischen Urtext im Blick. Logos meint nicht nur »Wort«, sondern alles, was mit Verstehen und Vernunft, mit Argument und Diskussion zu tun hat. Leider hat sich diese Übersetzung nicht durchgesetzt. Sie spricht von der Lebendigkeit, der Suche nach Beziehung, die das christliche Gottesbild prägt. Sie ermutigt uns, mit Gott ins Gespräch zu gehen, nicht als unterwürfige Empfängerinnen und Empfänger seiner Weisheit, sondern im Austausch, im Fragen und Suchen – und das ebenso untereinander. Wir ringen heute in unserer Kirche um eine »synodale« Struktur, um Formen des Miteinanders, in denen wir gemeinsam die Wege unserer Glaubensgemeinschaft und unsere Rede von Gott in dieser Welt gestalten und prägen. Ein »geselliger Gott« des »Gesprächs« kann da nur Ermutigung sein.

Und das Gespräch mit den anderen Religionen? – Hier kommt neben der Fülle unserer Erfahrung mit Gott die Begrenztheit unserer Rede angesichts der »Unfassbarkeit« Gottes zum Tragen. Wir wissen nicht alles über ihn, und wir suchen in jedem Reden von Gott nach dem, was unsere Erfahrung mit ihm bereichert und erweitert. Es gehört zu den großen Erkenntnissen des Zweiten Vatikanischen Konzils, dass wir in dieser Grundhaltung bestärkt, ja dazu beauftragt werden. Im Konzilsdokument Nostra aetate heißt es: »Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie [die katholische Kirche im Gespräch mit anderen Religionen] jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren [der anderen Religionen], die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet.« (Nr. 2)

Das Evangelium des heutigen Sonntags gibt an uns den Auftrag weiter, in aller Welt das Evangelium zu verkünden (vgl. Mt 28,19). Es ermutigt uns zum Gespräch mit anderen Kulturen und Religionen. Dabei bedeutet Gespräch nicht, alles zu übernehmen, bedeutet nicht, Anderen meine Überzeugung aufzudrängen; Gespräch bedeutet Verschiedenheit wahrnehmen, respektieren, im Austausch bleiben, um die tiefere »Einheit« des dreieinigen Gottes in dieser Welt zu leben.

Anmerkungen:

1 Kurt Marti, Die gesellige Gottheit, S. 2, Abschnitt 2.

Elisabeth Schieffer

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