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Die Schriftleitung
Leseprobe 1
Herz-Jesu-Fest
Gott kann auch anders (Hos 11,1.3–4.8a.c–9)
»Ich kann auch anders«! Dieser Satz ist Ihnen und mir aus eigenem Erleben bekannt. Er ist eine klare Ansage an diejenigen, die durch ihr ungehöriges Benehmen unsere Geduld über Gebühr strapazieren. Er ist eine Warnung an alle, die uns »auf die Nerven gehen«, es mit uns nicht zu weit zu treiben. »Ich kann auch anders« heißt dann: »Seid vorsichtig! Ich kann auch andere Saiten aufziehen und hart durchgreifen«!

Wie anders klingt da die Botschaft des Propheten Hosea, die wir gerade in der Lesung gehört haben! Sie markiert den Höhepunkt im Drama zwischen Gott und seinem Volk. Sie überbietet alles, was Hosea bisher über Gottes Werben und Ringen um sein Volk in kühnen Bildern gesagt hat. Das Bild vom »Ehebruch« tritt zurück hinter dem Bild des »Vaters«, der in tiefem Schmerz um seinen verlorenen Sohn trauert. Es zeigt die Liebe Gottes auf, der von Anfang an sein Volk gerufen und als seinen »Sohn« angenommen hat. Er hat es durch die Geschichte hindurch fürsorglich geleitet, nicht wie ein Zugtier, sondern mit »Ketten der Liebe« (Hos 11,4).

Im Bild des liebenden Gottes erscheint die Geschichte Gottes mit seinem Volk in neuem Licht. Aber in diesem Licht wird der Widerspruch des Volkes umso unbegreiflicher. Mit einem scharfen »Aber« wird der heilsgeschichtliche Rückblick jäh unterbrochen. Hier klagt Gott sein Volk an, das von allem Anfang an eigene Wege gegangen ist. Seine Anklage erinnert an das Bild des Vaters, der seinen eigenen Sohn vor Gericht ziehen muss, weil er sich durch seinen Ungehorsam an seinem Vater vergangen hat. Leider wird dieser Abschnitt in der heutigen Lesung ausgelassen.

Aber da geschieht das Unbegreifliche: Mitten in der Klage bricht die Gottesrede ab. Gott wendet sich seinem verlorenen Sohn zu. Er spricht ihn an: »Wie könnte ich dich preisgeben? … Mein Herz wendet sich gegen mich.« (Hos 11,8) Ist das pädagogisch nicht ein Fehler, wenn Gott hier inkonsequent wird? Warum vollstreckt er die Strafe nicht? Eigentlich müsste er seinem Zorn Luft machen und gegen seinen missratenen Sohn energisch vorgehen. Gerade in diesem »Mein Herz wendet sich gegen mich« wird die Gottheit Gottes großartig deutlich. Während Menschen ihren Gefühlen ausgeliefert sind und dazu neigen, berechtigte Strafansprüche durchzusetzen, kann Gott auch anders! Er kann – verzeihen! Er muss nicht Böses mit Bösem vergelten. Der Unterschied von Gott und Mensch wird eben darin deutlich, dass Gott seinen berechtigten Zorn nicht durch Strafe befriedigen muss, sondern zu diesem »Herzensumsturz« fähig ist. Israels Abkehr von Gott beantwortet dieser gerade nicht mit einer Abkehr von Israel. Er lässt sich nicht von Menschen das Muster für sein Verhalten vorgeben, sondern will umgekehrt mit seiner Liebe Maßstäbe setzen, denen die Menschen nacheifern sollen. Diese Wende ereignet sich in Gott selbst, unabhängig von Menschen. Sie ist allein im heiligen Willen Gottes begründet.

Gott kann auch anders! Diese Einsicht des Propheten Hosea wiederholt sich im Geschick Jesu. Er ist im Leben wie im Sterben dem Hass und der Gewalt seiner Feinde nicht mit der Androhung von Gegengewalt begegnet, sondern mit Liebe und der Bereitschaft zur Vergebung. Sie und ich, wir wissen nur allzu gut, wie weit wir oft entfernt davon sind, wie er lieben zu können, weil wir von Hass und Rachegelüsten, von Aggressionen und Gewaltphantasien erfüllt sind. Wir sollten uns darum heute die Bitte aus dem Herz-Jesu-Lied zu Eigen machen: »Herz Jesu, Trost der ganzen Welt, / mach unser Herz zu deinem! / Nimm unsere Herzen ungezählt / und mache sie zu einem! / Lass uns den Hass, das bittre Leid / fortlieben aus der dunklen Zeit: / Lass uns dein Reich erscheinen.« (GL 371,3)

Peter Seul

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