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Die Schriftleitung
Leseprobe 1
25. Sonntag im Jahreskreis
I. Belehrung über »groß« und »klein« (Mk 9,30–37)
Dieter Emeis
Statio
Den meisten von uns sind Ehrgeiz und Leidenschaft nicht fremd. Manchmal sind diese Gefühle auch sinnvoll, sie treiben uns an und ermöglichen Neues. Wenn sie aber ungehemmt ausgelebt werden, wenn jede und jeder nur danach schaut, wie er oder sie das Beste, Größte, Mächtigste für sich selbst rausholen kann, machen sie Leben und Gemeinschaft unmöglich. Sie führen zu Streit, zu Krieg und im schlimmsten Fall zu Mord und Totschlag. Ein Ausweg daraus kann das Gebet sein. Allerdings nur ehrliches, selbstloses Beten. Wo es nicht um die eigenen Bedürfnisse, um die eigene Lustbefriedigung geht, sondern wo um Gemeinschaft, um Frieden, um Heilsein für alle gebeten wird. Gelingt uns das? Wollen wir das überhaupt? Dass alle gemeint sind?
Theresia Reischl


Die Würde des Kleinen

Personen des öffentlichen Lebens lassen sich bei ihren Pressefotos gerne zusammen mit Kindern abbilden. Sie hoffen, von der Sympathie, die Kinder wecken, etwas auf sich ziehen zu können. Jesus ruft in unserem Evangelium ein Kind mit anderer Absicht zu sich. Er will den Aposteln mit Hilfe des Kindes eine Lehre erteilen. Er hatte versucht, sie auf seinen Leidensweg vorzubereiten. Sie aber hatten dafür kein Verständnis, sondern hatten auf dem Weg darüber gesprochen, wer von ihnen der Größte sei. Das hatten sie bei der Frage Jesu nach ihrem Gespräch verschwiegen. Jesus hatte es aber wohl doch irgendwie mitbekommen. Nun rief er ein Kind zu sich. Kinder standen in der Rangliste öffentlichen Ansehens damals ganz unten. Sie galten sozusagen nichts. Sie mussten durch ihr Heranwachsen, durch ihre Entfaltung, durch ihre Leistungen erst etwas werden, dem Achtung gebührte. So ein Kind von ganz unten nahm Jesus, schaute seine Apostel an und sagte: »Wer ein solches Kind aufnimmt, nimmt mich auf. Und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich zu euch gesandt hat.« So ist das also mit der Rangfolge im Blick Jesu. Das kleine Kind bekommt Anteil an der Würde Jesu. Es gehört in die Hausgemeinschaft mit dem lebendigen Gott. Jesus reagiert damit auf die Frage der Apostel, wer von ihnen der Größte sei. Groß gelten bei Jesus die, die in einem unbedeutenden Kind ihn und in ihm den lebendigen Gott aufnehmen. Daran hatten die Apostel noch nicht gedacht in den Gesprächen um ihre Rangordnung. Sie konnten daran noch gar nicht denken. Um das zu können, mussten sie noch viel lernen. Dabei wollte Jesus ihnen helfen.

Unsere Befreiung vom Verlangen, größer zu sein
Wir hörten am Anfang des Evangeliums, dass Jesus die Apostel einführen wollte in das Geheimnis seines Leidensweges. Von den Worten Jesu waren die Apostel damals offenbar noch überfordert. Aber etwas sollte ihnen doch schon gesagt sein, damit es ihnen später – im Rückblick – aufgehen könnte. Tatsächlich konnten die ersten Christen die Erniedrigung Jesu schon sehr früh besingen als seinen Weg in die Herrlichkeit Gottes, seines Vaters. Die Apostel sollten anfangen zu verstehen, dass es im Weg Jesu um die Heilung unserer Welt von dem geht, woran sie im Grunde erkrankt ist, und darum, wodurch sie geheilt wird. Unsere Welt krankt daran, dass sich Menschen über andere erhöhen und auf Kosten der Kleineren leben. Dabei ist es zur Herrschaft von Menschen über andere Menschen gekommen. Die Welt krankt daran, dass die Großen immer mehr Raum für ihre Größe beanspruchen und dabei die Unteren nicht zu ihrem Leben kommen lassen. Unsere Welt ist krank, weil die Großen sich mit immer mehr Reichtum und mit immer wahnsinnigeren Waffen umgeben. Damit wird das Leben aller gefährdet. Die Welt beginnt zu heilen, wo Menschen die Größe, die ihnen gegeben ist, in den Dienst des Lebens der Kleinen stellen. Unser Miteinander heilt, wo Große beginnen, die Kleinen hoch zu schätzen. Angefangen von unseren kleinen Welten von Ehe und Familie bis hin zu unserer einen großen Welt heilt das Leben, wo es nicht bestimmt wird von Rivalität und Unterdrückung, von der Sucht, größer zu sein als die anderen, von Missgunst und Rangkämpfen, sondern frei wird in der gemeinsamen Freude an gegenseitiger Hochachtung. Unsere Welt bekommt Zukunft, wo die Menschen zur Demut des Geschöpfes zurückfinden. Gemeint ist die Einsicht, dass wir unsere Welt nicht selber gemacht haben und besitzen, sondern dass sie uns von einem guten Gott anvertraut ist und wir den Reichtum ihrer Lebensmöglichkeiten miteinander teilen sollen. Jesus belehrte seine Jünger und belehrt in ihnen uns, dass er den Weg seiner Erniedrigung bis hin zum Verbrechertod gegangen ist, um uns von unserem lebensgefährlichen Weg des Größenwahns zu erlösen und in der wunderbaren gemeinsamen Würde von Kindern Gottes zu seiner Familie zusammenzuführen.

Lernen in der Lehre Jesu
Wir leben verwoben in einer Welt gestuften gegenseitigen Ansehens und gestufter Macht über das Tun und Lassen von Menschen. In dieser Welt hat der Ehrgeiz, den die Apostel zeigten, seinen Stellenwert. Man kann die Wertschätzung der Kleinen durch Jesus missverstehen und missbrauchen.

Wie kleine Kinder mit Recht groß werden wollen, so gibt es ein anzuerkennendes Streben nach der Entfaltung und Anerkennung der eigenen Möglichkeiten. Der Mensch kann und soll sogar nach Höherem, nach größerer Verantwortung streben. Jesus hat die Apostel in ihrer Auseinandersetzung, wer der Größere sei, nicht direkt getadelt. Er stellte daneben aber das kleine Kind. Auch wenn sie zu Aposteln berufen sind, haben sie keine besondere Würde gegenüber allen, die Gott mit seiner Liebe und darin mit ihrer Würde beschenkt. Diese Lehre Jesu kommt bis heute in unserer Kirche nur unvollkommen zur Wirkung. Die Reformbemühungen in der Kirche müssen sich nicht zuletzt mit dem auseinandersetzen, was wir Klerikalismus nennen. Einzelne und ganze Gruppen beanspruchen durch ihr Amt eine besondere Würde, durch die sie sich größer dünken als die anderen. Das Amt in der Kirche ist aber nicht dazu da, Menschen eine besondere persönliche Würde zu verleihen, sondern um ihnen einen Dienst anzuvertrauen, den die Kirche braucht. Das gilt auch, wenn einmal das Weiheamt für Frauen geöffnet wird. Das Amt ist in der Kirche nicht geeignet, um eine Gleichberechtigung zu kämpfen, bei der eine Vorherrschaft von Männern durch eine Mitherrschaft von Frauen ersetzt wird. Für das Amt in der Kirche braucht Gott Menschen – Frauen wie Männer –, die sich in Dienst nehmen lassen für das Interesse Gottes am Leben der anderen. Dazu gehört manches, für das es keine gesellschaftliche Anerkennung und Ehre gibt.

Wir feiern in der Erniedrigung unseres Herrn Jesus Christus unsere Befreiung von der Versuchung, uns über andere zu erheben. Er, der unser aller Diener wurde, ist Herr über all die Mächte und Gewalten, die uns an unserem Miteinander und Füreinander hindern wollen. Er will im Brot seiner Hingabe in uns seinen Geist erneuern. Dieser Geist lässt uns dankbar und aufrecht in der Würde und Freiheit der Kinder Gottes leben und in den anderen die Größe achten, die Gottes Liebe ihnen schenkt.


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