Der Prediger und Katechet – Startseite
Startseite » Archiv » Ausgabe 3/2016 » Leseprobe 1
Titelcover der archivierte Ausgabe 3/2016 – klicken Sie für eine größere Ansicht
Die Schriftleitung
Leseprobe 1
9. Sonntag im Jahreskreis
Statio
Dass sich die Kulturen mischen, ist in allen Zeiten der Menschheitsgeschichte zu beobachten. Zumeist ist es ein Gewinn, wenn Menschen sich für Fremdes öffnen und darin das Gute entdecken. Im heutigen Evangelium gelingt die Verbindung über Kultur- und Religionsgrenzen hinweg. Ein römischer Hauptmann, aus jüdischer Sicht ein Heide, nimmt Kontakt zu Jesus und seinen Jüngern auf. Und wird es nicht bereuen. Die heilende Kraft Jesu ist nicht an menschengemachte Grenzen gebunden. Sich dem Geist Gottes zu öffnen, heißt über Grenzen hinaus zu denken. Bitten wir Gott um Offenheit und darum, dass er von uns fernhalte, was uns schadet, und uns gewähre, was uns zum Heile dient (vgl. Tagesgebet).
Thomas Luksch

I. Zuwendung zum Fremden – ohne Berührungsängste (1 Kön 8,41–43; Lk 7,1–10)

Das Fremde kommt auf uns zu


Das Fremde ist für viele Menschen eine zweischneidige Sache. Das Fremde ist oft interessant und anregend: in fremder Musik, fremden Gewürzen und Gerüchen, in fremder Kunst und Kultur, fremden Gewohnheiten und Gebräuchen, die bunt und geheimnisvoll sind. Und andererseits ist das Fremde manchmal befremdlich, furchteinf lößend, ängstigend: wenn fremde Regeln und Rechtsvorschriften an Geltung gewinnen, fremde, unverständliche Sprachen im Alltag hörbar sind, ganz andere Wertvorstellungen und Traditionen zum Leben gehören, ein fremder Glaube gesellschaftliche Akzeptanz finden soll. Wer selbst schon einmal fremd war, irgendwo, irgendwann, der weiß: Die interessante und die beängstigende Seite des Fremden werden oft gleichzeitig erfahrbar. Die Ambivalenz ist charakteristisch für das Fremde.

In letzter Zeit kommt ›das Fremde‹ auf uns zu in konkreten Menschen. Viele Fremde kommen als Flüchtlinge nach Deutschland. Sie suchen in unserem Land einen Ausweg aus Armut, Hunger und Perspektivlosigkeit und Schutz vor Terror und Gewalt in ihrer Heimat. Gott sei Dank gibt es eine freundliche, offene Willkommenskultur in Deutschland. Viele Menschen, junge und alte, engagieren sich für die Fremden und die Flüchtlinge, begleiten ihre ersten Schritte in unserem Land. Und es gibt zugleich gesellschaftlichen Widerstand dagegen, dass Deutschland so viele fremde Menschen aufnimmt. Dieser Widerstand, gespeist aus Angst und Unsicherheit, formiert sich politisch etwa in der AfD am rechten Rand der politischen Landschaft und in Bürgerbewegungen wie Pegida.

Religionen, so ist immer wieder zu lesen, produzieren geradezu Fremdheit, indem sie den Andersgläubigen als Fremden sehen und behandeln. Wie ist das in unserer Religion, im Christentum? An vielen Stellen betont die Bibel das Gebot der Gastfreundschaft (vgl. Gen 18,1ff.; Mt 25,35; Röm 12,13; Hebr 13,2). In der Lesung aus dem ersten Buch der Könige aber haben wir eben von einer ganz anderen, vielleicht sogar bedeutenderen Ebene des Umgangs mit den Fremden gehört. Es lohnt sich, noch einmal genauer auf den Lesungstext zu schauen.

Gebet für die Fremden, die kommen

In Jerusalem ist der Tempel fertiggestellt. Endlich hat die Bundeslade einen allerheiligsten Ort. Endlich hat Gott, der Herr, ein Haus unter den Menschen. König Salomo war Israels König von 961–931, er hatte 966 in einer Zeit des Friedens und des Wohlstandes mit dem Bau des Jerusalemer Tempels begonnen. Nach siebenjähriger Bauzeit (vgl. 1 Kön 6,38) ist der Tempel fertig, die Bundeslade mit den beiden Tafeln, auf denen die zehn Gebote verzeichnet sind, ist an ihrem Platz. Von all dem berichtet das erste Buch der Könige etwa 400 Jahre später und zitiert dabei aus alten Geschichtsquellen.

Es ist der Tag der Tempelweihe. Salomo, König und Bauherr, spricht zum Volk (1 Kön 8,14–21). Anschließend weiht er in einem großen Gebet den Tempel ein (1 Kön 8,22–53) und segnet das Volk Israel (1 Kön 8,54–61). Das Weihegebet ist ein großes Fürbittgebet. Salomo trägt Gott vor, um was die Menschen ihn in Zukunft in diesem Tempel bitten werden. Er legt Gott die Gebete um Regen und Gerechtigkeit, um Vergebung der Sünden und um den Sieg in Auseinandersetzung und Krieg ans Herz und bittet ihn, diese Bitten zu erfüllen. »Wenn der Himmel verschlossen ist und kein Regen fällt, (…) spende Regen deinem Land, das du deinem Volk zum Erbbesitz gegeben hast« (1 Kön 8,35f.). Aus diesem großen Gebet hören wir in der Lesung einen bemerkenswerten Ausschnitt: die Bitte für die Fremden. Salomo ist überzeugt davon, dass in Zukunft auch Fremde kommen werden, Menschen aus fernen Ländern, die nicht zum Volk Israel gehören. Sie sind Andersgläubige, vielleicht Nichtgläubige. Aber sie kommen, weil sie von Gottes starker Hand und seinem großen Namen gehört haben. Und, so ließe sich ergänzen, sie kommen sicher auch, weil in Jerusalem der Handel f loriert, Frieden und Wohlstand herrschen, die wirtschaftlichen Möglichkeiten gut sind, weil es Arbeitsplätze gibt. Salomo bittet Gott tatsächlich für die Bitten und Anliegen der Fremden, die im Tempel vorgetragen werden (1 Kön 8,43): »Höre sie dann im Himmel, dem Ort, wo du wohnst, und tu alles, weswegen der Fremde zu dir ruft. Dann werden alle Völker der Erde deinen Namen erkennen.«

Ich finde, das ist eine großherzige, vertrauensvolle Haltung allen Fremden gegenüber, die getragen ist von einem tiefen Gottvertrauen. Die fremden Menschen werden in das eigene Land kommen. Sie werden sich wundern über den Tempel und das Volk, das ihn gebaut hat. Sie werden nach dem Gott fragen, der in diesem Tempel und in den Herzen der Menschen wohnt, ja sogar mit ihm in Kontakt treten wollen, ihm ihre Sorgen anvertrauen, zu ihm beten. Israel war immer davon überzeugt: »Der Herr beschützt die Fremden« (Ps 146,9). Aber Salomo geht in seinem Gebet noch einen Schritt weiter. Er bittet Gott um die Erfüllung der Bitten aller Menschen, auch der Fremden, der Flüchtlinge. Weil er auf Gottes Größe und seinen Heilswillen für alle Friedfertigen vertraut. Und wohl auch, weil er von der Integrationskraft seines Volkes, der Wirtschaftsleistung und der Kultur Israels überzeugt ist. Von dieser Haltung Salomos können wir ganz unmittelbar lernen für den Umgang mit den Fremden bei uns.

Begegnung mit dem fremden Menschen, Heil für seine Freunde

In der Geschichte vom Hauptmann von Kafarnaum (vgl. auch Mt 8,5–13 und Joh 4,46–53) konkretisiert sich dann die Überzeugung Salomos in einer Begegnung, die nur ›auf Distanz‹ stattfindet. Ein aus jüdischer und auch aus christlicher Perspektive Fremder, ein römischer Soldat, ein Heide, sorgt sich um seinen todkranken Diener, ja seinen Freund (»den er sehr schätzte«, Lk 7,2). Und wie die Fremden sich im Tempel mit ihren Bitten an den Gott Salomos und des Volkes Israel wenden, den sie noch nicht recht kennen, so wendet sich der Römer, der Andersgläubige, in seiner Not an Jesus: Er möge doch kommen und seinen Diener retten. Die Geschichte erzählt von einem doppelten Annäherungsprozess. Für Jesus scheint es nicht selbstverständlich zu sein, von einem Fremden um Hilfe und Heilung gebeten zu werden. Nur so erklärt sich die Vermittlung durch die jüdischen Autoritäten. Und für den römischen Zenturio ist die eigene Fremdheit in der Begegnung mit dem jüdischen Rabbi sogar der Grund, eine zweite vermittelnde Delegation zu schicken. Freunde überbringen seine Sorge: »Ich bin nicht würdig, zu dir zu kommen. Und ich bin nicht würdig, dass du in mein Haus kommst, dass du einkehrst unter mein Dach« (Lk 7,6f.). Und doch wird das Herzensanliegen, wie im Jerusalemer Tempel, vor den Herrn gebracht: »Sprich nur ein Wort, dann wird mein Diener gesund!« (vgl. Lk 7,7). Von der Macht der Worte Jesu, die für ihn vergleichbar ist mit der Macht der Befehle beim Militär, hatte der römische Soldat wohl gehört. So traut er dem Herrn sogar eine ›Fernheilung‹ ohne direkten Kontakt mit dem Kranken zu. Und Jesus bewundert den Glauben des Fremden, den er in Israel noch nicht gefunden hat (vgl. Lk 7,9). »Tu alles, weswegen der Fremde zu dir ruft. Dann werden alle Völker der Erde deinen Namen erkennen«, so hatte Salomo den Herrn im Tempel gebeten. Diese Bitte erfüllt sich auch in der Begegnung Jesu mit dem römischen Hauptmann. Der Diener ist schon gesund, als die Freunde des Hauptmanns in sein Haus zurückkehren.

Jesus lernt in dieser Begegnung einen ganz neuen, tiefen, anderen und – ja, auch – fremden Glauben kennen. Und der Hauptmann, der fremde Heide, wird überzeugt vom Heil, das auch ihm und seinen Freunden und seinem kranken Diener gilt.

Menschen. Begegnen! – in Nächstenliebe und Verantwortung


Mir fiel vor einiger Zeit eine Broschüre in die Hand, veröffentlicht vom Diözesanrat der Katholiken im Bistum Hildesheim. »Menschen begegnen – Nächstenliebe, Verantwortung«. (Die genannte Broschüre kann bestellt werden unter dioezesanrat@bistum-hildesheim.de.) Diese Worte stehen auf dem Umschlag. Es geht in dieser Handreichung neben Informationen um die Klärung der Frage, was Pfarreien und Gemeinden konkret in der Begegnung mit Fremden und Flüchtlingen tun und was sie in dieser Begegnung gewinnen können. Besonders die letztgenannte Perspektive fasziniert mich und macht das Papier der Hildesheimer Christen bemerkenswert. Hier lese ich, dass »in der Begegnung mit dem Fremden ein neuer Blick auf die eigene Kultur, (auf ) Lebens- und Glaubenseinstellung« möglich wird. Oder ich werde angeregt, darüber nachzudenken, welcher »unglaubliche Schatz von Einblicken in Lebenswelten, die sonst verschlossen blieben«, in dieser Begegnung zu finden ist.

Übrigens – und zuletzt: Im Wort ›Pfarrei‹ steckt das griechische Wort paroikia. Es meint, wörtlich übersetzt, das Fremdlingsdasein (paroikein, griech.: in der Fremde leben, an einem Ort ohne Bürgerrechte wohnen, Pilger sein). Die Christen leben in der Welt als Fremde – wie die Fremden und Flüchtlinge unserer Tage. Dass uns also mehr verbindet, als uns trennt, und dass der Heilswille Gottes allen gilt, auch (und besonders?) den Fremden, das wusste Salomo, das hat Jesus gelebt. Mit dieser Zusage lässt sich gestalten, was auf uns zukommt.

Dominik Blum

Zurück zur Startseite

pastoral.de


Das bewährte
BasisProgramm
auf CD-ROM


pastoral.de - BasisProgramm

oder

Die
Web-Plattform
im Browser


pastoral.de - Web-Plattform

Vergleichen Sie hier


Der Prediger und Katechet
Telefon: +49 (0) 711 44 06-140 · Fax: +49 (0) 711 44 06-138
Senefelderstraße 12 · D-73760 Ostfildern
Kontakt | AGB | Datenschutz | Impressum