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Leseprobe 2
Vierter Sonntag der Osterzeit – 15. Mai 2011
IV. Lesepredigt: Berufen, einander gute Hirten zu sein (Joh 10,1–10)
Bildworte von Hirt und Herde geben dem heutigen Sonntag seinen Namen. Bilder aus einer fremden Welt, die aber die Sehnsucht der Herzen immer noch anspricht. Bilder, die angenehme Gefühle wecken können: Vertrauen, Geborgenheit, Nähe, Zuversicht. Die Schafe hören auf die Stimme des Hirten und folgen ihm, weil sie seine Stimme kennen. Das Bild von Schafen und ihren Hirten war ein geläufiger Vergleich für ein Volk und seinen Anführer und drückte ein sehr enges Verhältnis aus. Es geht nicht um ein stures Nachlaufen oder gar um blinde Unterordnung. Das Bild drückt ein Sorgen und Behüten aus, gegenseitiges Vertrautsein und Verlässlichkeit. Der Evangelist bezeugt Jesus als den guten Hirten, auf den du dich unbedingt verlassen kannst. Er kennt den richtigen Weg ans Ziel. Wer auf seine Stimme hört, wer sich auf ihn verlässt und ihm vertraut, dessen Leben geht letztlich nicht schief: Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben. Er gibt dem Leben eine Zukunftsperspektive, Inhalt und Sinn, auch in Situationen, in denen es scheinbar keinerlei Hoffnung mehr gibt, eine Hoffnung wider alle Hoffnung.

Das biblische Bildwort vom Hirten und seinen Schafen hat aber nichts mit romantischer Schäferidylle zu tun. Da geht es eindeutig auch um die Frage: Wer hat Macht über mein Leben? Es wird im Text des Evangeliums selbst deutlich, dass da auch ganz andere Erfahrungen mitschwingen (Bilder wie Räuber, Diebe, Fremde), negative Gefühle, die nicht einfach vom Tisch gewischt werden dürfen. Es ist ja nicht zu leugnen, dass vielerlei Einflüsse mich und mein Verhalten bestimmen. Stichwort: Werbepsychologie mit all den Tricks der Werbefachleute. Nicht selten entsteht der Eindruck: Nicht an mir persönlich sind diese Leute interessiert, sondern an etwas von mir. Ich bin nicht persönlich gefragt, sondern als Objekt. Solche »Hirten« wollen nicht das Beste für ihre »Schafe«, sondern für sich selbst. Diese Hirten sind nicht an den Schafen selbst interessiert, sondern an ihrer Wolle oder an ihrem Fleisch. Solche Erfahrungen gibt es und sie dürfen nicht verschwiegen werden, wenn hier von Vertrauen und Verlässlichkeit die Rede ist.

In solche Erfahrungen hinein spricht das Johannesevangelium: Einen gibt’s, der ohne Hintergedanken und ohne Vorbedingungen das Wohl der Menschen und ein Leben in Fülle für sie im Blick hat. Johannes ist überzeugt und bezeugt: Jesus ist einer, der nicht etwas an uns sucht, sondern uns selbst. Er meint es gut mit uns. Er ist einer, der daran interessiert ist, dass es mir gut geht. Darum können wir uns auch auf ihn verlassen.

Aber was heißt das konkret? Ich kann nur dann jemand vertrauen, wenn ich die Erfahrung gemacht habe: Vor diesem Menschen brauche ich keine Angst zu haben, er meint es gut mit mir. Das ist die erste und wichtigste Grunderfahrung, die Leben erst ermöglicht: Mit dir geht’s mir gut. Unter diesem Aspekt kann das Evangelium ein Anstoß sein, sich erneut bewusst zu machen, dass das auch für mich selbst gilt; dass und wie auch wir füreinander verantwortlich sind, im privaten und öffentlichen Bereich, in der Familie und am Arbeitsplatz, auch in der Gemeinde. Nicht nur unsere hauptamtlichen Seelsorgerinnen und Seelsorger sind Hirten. Wir alle sind dazu berufen, einander gute Hirtinnen und Hirten zu sein und so wenigstens ansatzweise erfahrbar zu machen, was ein »Leben in Fülle« ausmacht.

Walter Biechele

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