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Die Schriftleitung
Leseprobe 2
Christkönigssonntag – 22. November 2009
I. Ein König eigener Art (Joh 18,33b–37)

Zielsatz: Die Hörerinnen und Hörer sollen hellhörig gemacht werden für obsolete Interpretationen des Königtums Christi. Aus den biblischen Quellen soll ein vertieftes Verständnis seiner Königsherrschaft erschlossen werden.


Christsein im Widerspruch
Das Christkönigsfest, das wir heute feiern, ist ein relativ junges Fest in der Geschichte der Kirche. Es wurde 1925 von Papst Xl. eingeführt. Es ging dem Papst darum, den kirchenfeindlichen Parolen des Atheismus, des Kommunismus und des aufkeimenden Faschismus ein klares und eindeutiges Bekenntnis entgegenzustellen: Christus allein ist unser Herr und König. Ihm allein und keinem weltlichen Machthaber sind wir zur Gefolgschaft und zum Gehorsam verpflichtet.
Ganz ähnlich haben zehn Jahre später die evangelischen Christen der Bekennenden Kirche ein deutliches Zeichen gegen die von den Nationalsozialisten geplante deutschtümelnde Vereinnahmung der evangelischen Kirche gesetzt. In der berühmten Barmer Theologischen Erklärung vom 31. Mai 1934 heißt es wörtlich: »Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das zu hören, dem wir im Leben und Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben. Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung außer und neben diesem einen Wort Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen.«
So haben die entschiedenen Stellungnahmen des Papstes in Rom und der Bekennenden evan-gelischen Kirche in Deutschland vielen Christen zu einem klarsichtigen Gewissensurteil ver-holfen, dem sie sogar bis ins Martyrium treu geblieben sind.

Königtum im Widerspruch
Gewiss sind auch solche religiöse Feste nicht zeitlos gegründet und über alle Zeitläufe erhaben. Sie sind verwoben mit der Zeit, in der sie entstanden sind und eingebettet in den Geist, der ihnen Bedeutung verschaffte. So ist es unstrittig, dass der Eifer, mit dem Pius XI. das Königtum Christi und damit auch die Einführung des Christkönigsfestes propagierte, geprägt war von einer Ablehnung der Demokratie und dem Wunsch, etwas von dem Schulterschluss zwischen Thron und Altar hinüber zu retten in die aufgewühlte Zeit nach dem Ersten Weltkrieg.
Solches Gedankengut ist auch heute noch lebendig. Ein Beleg dafür ist das Wirken der so genannten Piusbruderschaft. Mag man die Anhänglichkeit an die Formen der Tridentinischen Messe als liturgische Liebhaberei akzeptieren. Das erträgliche Maß wird freilich überschritten, wenn in den Publikationen die zehn Gebote gegen die Menschenrechte in Stellung gebracht werden und eine Art »Gottesstaat auf katholisch« propagiert wird.

Ein König eigener Art
Trotz dieser rückwärts gewandten Interpretationen wäre es unklug, das Christkönigsfest als Relikt aus längst vergangenen Tagen abzutun. Es ist ja nicht so, dass das Bild Christi als König allein der Phantasie von ein paar verspäteten Monarchisten entsprungen wäre, die bei katholischen Kreuzzüglern eine willkommene Heimstatt gefunden hätten.
Ein Blick in das heutige Evangelium kann da manches Missverständnis auflösen. Machen wir uns die Situation bewusst, die uns der Evangelist vor Augen stellt: Jesus steht wehrlos vor Pilatus. Seine eigenen Landsleute haben ihn verhaftet und klagen ihn an. Sie denunzieren ihn vor dem römischen Statthalter mit dem Vorwurf: Er wolle sich zum König machen. Es sind die gleichen Leute, die Jesus nach seinem Brotwunder zum König machen wollten.
Damals hat sich Jesus demonstrativ zurückgezogen. Aber jetzt sagt er: Ja, ich bin ein König. Und er fügt hinzu: »Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn es von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde … Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder der aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme.« (Joh 18,36–37)
Es liegt nicht auf der Hand, was Jesus mit diesem Königtum meint. Aber sicher will er nicht sagen, dass sein Königtum nichts mit dieser Welt zu tun hat. Mit seiner ganzen Leidenschaft ruft er ja die Gottesherrschaft über alle Menschen aus. Es geht ihm offenbar um eine neue Art des Königtums: Mein Auftrag – so dürfen wir Jesus verstehen – ist nicht Macht auszuüben, Völker zu regieren und Länder zu erobern. Ich bin dazu da, um Zeugnis abzulegen für das wahre Leben und denen, die nach Orientierung suchen, den Weg zu zeigen zu einem geglückten und sinnvollen Leben. Meine Mittel sind nicht Macht und Geld, nicht das Versprechen von nationaler Größe und wachsendem Wohlstand. Meine Mittel ist die wahrhaftige Liebe zu allem Lebendigen.

Menschsein im Widerspruch
Es ist gewiss nicht leicht, die Mitte zu halten. Einerseits in der Welt zu stehen, die Aufgabe wahrzunehmen, unsere Welt mitzugestalten, und andrerseits sich doch anderer Mittel zu bedienen als jene, die uns die gängigen Erfolgsrezepte der Techniker der Macht anbieten.
Schon die Zeitgenossen Jesu sind in tödliche Feindschaft zu ihm geraten, weil er sich ihrer Vorstellung vom Königtum widersetzt und sich nicht an die Spitze des Widerstandes gegen das römische Besatzungsregime gesetzt hat.
Und auch die Kirche hat in ihrer Geschichte oft mehr auf irdisches Königtum, auf Macht und Einfluss gesetzt, anstatt allein auf das Wort, das von Gott kommt, zu hören und darauf zu vertrauen, dass Wahrheit und Liebe der größte und beste Dienst sind, den sie der Menschheit leisten kann.

Frei sein in Christus
Vor diesem Hintergrund kann uns das heutige Fest noch Wichtiges sagen und zusprechen. Ich möchte dabei zwei Dinge hervorheben:
Erstens: Indem wir uns dem König Christus verpflichten, wird jeder innerweltliche Macht-anspruch an uns relativiert. Und diese Bindung an Jesus Christus macht uns nicht unmündig. Christus herrscht nicht über uns mit drohender Knute. Er setzt uns frei zur Freiheit der Kinder Gottes, die sich in der Freiheit des Gewissens manifestiert.
Zweitens: Das Nachdenken über das Königtum Christi ist uns auch eine Hilfe zur Scheidung der Geister. Das Wort: »Mein Reich ist nicht von dieser Welt« macht uns deutlich, dass das Königtum Christi nicht eine Art »Gottesstaat« anzielt, in dem alles und jedes einer fundamentalistischen Bibelauslegung unterworfen ist und das letztlich auf die Diktatur einer Priesterkaste hinauslaufen würde. Es unterstreicht vielmehr die Autonomie der irdischen Wirklichkeiten, wie sie das Vatikanum II in der Pastoralkonstitution »Kirche und Welt« hervorgehoben hat. Wörtlich heißt es da: »Durch ihr Geschaffensein … haben alle Einzel-wirklichkeiten ihren festen Eigenstand, ihr eigene Wahrheit, sowie ihre Eigengesetzlichkeit und ihre eigene Ordnung.« Die methodische Forschung in all diesen Bereichen muss freilich sittliche Prinzipien achten und nicht unlautere Zwecke und Ziele verfolgen.
Ich denke, mit so einem weltoffenen und menschenfreundlichen König können wir getrost ins neue Kirchenjahr gehen.

Leo Zirker

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