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Die Schriftleitung
Leseprobe 2
Kasualien
Gottes Geschichte in der Menschen Geschichte
Gedanken zur Feier der Heiligenfeste
Die Bibel – ein Buch von Gottes Geschichte mit den Menschen

Die Bibel ist ein Buch der Geschichte Gottes mit den Menschen. Wer Gott ist, wie er ins Leben ruft, was er verheißt, worüber er zürnt, wovon er träumt, wird in den Erzählungen des Ersten wie des Neuen Testamentes in Menschengeschichten erzählt: in den Erinnerungen an erfahrene Befreiung ebenso wie im fragend-sehnsüchtigen Ausstrecken nach seiner rettenden Gegenwart. In der Bibel werden Geschichten von Scheitern und Aufbruch, Einsamkeit und Begegnung, Not und Lebensfreude wahrgenommen und weitererzählt als Erfahrungen des schöpferisch handelnden Gottes und seines Bundes mit den Menschen. Das gilt in besonderer Weise, wenn im Neuen Testament vom Leben und Leiden, Sterben und Auferstehen des Menschensohnes Jesus von Nazaret erzählt wird, in dessen Geschichte sich Gottes Geschichte mit den Menschen in besonderer Weise verdichtet und – wie es im christlichen Glaubensbekenntnis heißt – Gott zur Welt kommt. Wie in seiner Nachfolge Menschen ihr Leben mit Gott gestalten und wie sich das Geheimnis Gottes in ihrem Leben zeigt, wird biblisch in der Apostelgeschichte und den Briefen aus der frühen Kirche dokumentiert …

Gottes Geschichte mit den Menschen geht weiter …

und danach durch die Jahrhunderte in den Lebensgeschichten von Menschen beschrieben, die es auf sehr unterschiedliche Weise mit Gott zu tun bekommen. Extrovertiert oder zurückgezogen, revolutionär oder bewahrend, in vorderster Reihe stehend oder im Verborgenen wirkend, Ausgrenzung und Gewalt erleidend oder schon zu Lebzeiten geachtet: Die Biografien der als heilig verehrten Menschen spiegeln das Wirken Gottes in der Vielfalt der Lebensund Glaubensgeschichten. Seit frühesten Zeiten wurden sie weitererzählt und gefeiert, weil in den Heiligen der Heilige – Gott – als heilsam gegenwärtig erfahren wurde. Legendenhafte Erzählungen ihres Lebens, Bilder und Skulpturen in Kirchen, Kapellen und Wegstöcken, die Verehrung ihrer Geburtsorte, Wirkungsstätten oder Grabstellen, ihre Feier im liturgischen Jahreskreis und die Wahl ihrer Namen für Menschen, Kirchen, Bruderschaften oder Einrichtungen wie Apotheken oder Krankenhäuser zeugen von der weiten Verbreitung, die den Heiligen über Jahrhunderte entgegengebracht wurde. Wenn auch ein über bordender Heiligenkalender durch die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils reduziert wurde, wird der kirchliche Jahreskreis bis heute begleitet und geprägt durch das Gedenken von Menschen, die von Gottes Geist ergriffen wurden.

Hervorgehoben und ausgeblendet

In dieser Erinnerungskultur lassen sich inmitten der großen Vielfalt von Glaubensgeschichten jedoch auch problematische Einseitigkeiten erkennen. Im für das deutsche Sprachgebiet vorgegebenen Kalender der Heiligengedenktage ist das Verhältnis von Männern zu Frauen bei ungefähr 80 zu 20 Prozent; die Zahl der Eheleute ist auffallend niedrig, die Zahl der Päpste aus dem 19. und 20. Jahrhundert überproportional hoch. Immerhin wird mit der Unterscheidung von lokalen Gedenktagen und weltkirchlich gefeierten Festen der regionalen Bedeutung Rechnung getragen und mit der verstärkten Heiligsprechung von Menschen aus Asien, Afrika und Südamerika gegenwärtig eine globale Perspektive gestärkt. Welche Biografien in der Kirche erinnert und hervorgehoben und welche Lebensläufe ausgeblendet oder vergessen wurden, kann je nach kirchenpolitischer Situation schwanken. Exemplarisch lässt sich das an der Person des ermordeten Bischofs Oscar Romero ablesen, der als Anwalt der Armen und Opfer der Militärjunta von El Salvador lange marginalisiert wurde, bis er im Pontifikat von Papst Franziskus zum Heiligen erhoben wurde. An ihm lässt sich auch ablesen, dass es neben der offiziellen Erinnerung einen Traditionsstrom gibt, in dem die Biografien als glaubwürdig erlebter Menschen weitergegeben werden. Die Mystikerinnen Madeleine Delbrêl und Simone Weil oder die von den Nationalsozialisten hingerichteten Alfred Delp, Helmut James von Moltke und Dietrich Bonhoeffer stehen beispielhaft für Menschen, die gegenwärtig auch ohne offizielle Heiligsprechung in der kirchlichen Verkündigung erinnert werden.

Die Fragwürdigkeit der Vorbilder

In ihrem Gedicht Die Heiligen würdigt die Dichterin Hilde Domin 1957 die Heiligenfiguren in den Kapellen, weil sie eine Tür öffnen, »hinter der das Wunder angefasst werden kann«: »Denn wir essen Brot, aber wir leben vom Glanz.« Zugleich verdeutlichen diese Figuren die Differenz zwischen den auf die Podeste erhobenen Vorbildern und den zu ihnen Aufschauenden in ihrer Behäbigkeit: »Wir halten die Augen gesenkt. Wir hören den Ruf, aber wir heben sie nicht.« Es gehört wohl zur Ambivalenz der Vorbilder: Wenn es gut geht, können sie motivieren, inspirieren und ermutigen; andernfalls können sie überfordern und lähmen, und es kann die vermeintlich normalen Christinnen und Christen angesichts der Überzeugungskraft, Entschiedenheit oder Hingabe dieser Idealfiguren eine tiefe Niedergeschlagenheit überkommen: dass sie nicht so freimütig, so tapfer, so konsequent sind wie die vor Augen gestellten Vorbilder. Daher ist immer neu danach zu suchen, wie die Lebensgeschichten der Heiligen so vergegenwärtigt werden können, dass sie die Türen zum Geheimnis Gottes öffnen und zu einer eigenen christlichen Lebenspraxis im Heute ermutigen.

Heiligenpredigten im Prediger und Katechet


Ausgehend von der Bedeutung der Heiligen möchten wir in diesem Jahrgang des Prediger und Katechet in der Rubrik »Kasualien« den Schwerpunkt auf die Feier der Heiligenfeste legen. Wir haben dazu Autorinnen und Autoren gebeten, Zugänge zu ihren eigenen Namenspatronen zu eröffnen – bewusst in sehr persönlichen Zeugnissen. Die durch den liturgischen Kalender gegebenen Einseitigkeiten versuchen wir dabei im Laufe des Jahrgangs ein wenig auszugleichen. Wir laden Sie als Leserinnen und Leser dazu ein, in Werktagsmessen, Wort-Gottes-Feiern oder Katechesen der Geschichte Gottes mit seinen Menschenkindern Raum zu geben: in den biografischen Zugängen zu den Heiligen ebenso wie in der Suche nach dem Ruf Gottes für die eigene Lebensgeschichte.

Siegfried Kleymann

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