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Die Schriftleitung
Leseprobe 1
Weihnachten – Hochfest der Geburt des Herrn
I. Fest der Liebe, Fest der Gegensätze
(Jes 9,1–6; Lk 2,1–14)
Alles Glühwein, oder was?

Weihnachtszeit, Zeit der Besinnlichkeit, der Ruhe und des Friedens. Geschenke, Kekse, Zimt und Vanille, Glühwein und Tannenduft, Kerzenschein und süße Melodien … Für die einen ist das die allerschönste Zeit im Jahr, für die anderen purer Kitsch, unerträglich süß, schlimmste Wirklichkeitsflucht.

So unterschiedlich die Gefühle gegenüber den Weihnachtsbräuchen auch sein mögen, in der Christmette kommen irgendwie alle zur Geltung. Die immer gleichen Riten, vertraute Texte, Kerzenlicht und alte Lieder wärmen Herz und Seele. Und gleichzeitig sind die kirchlichen Traditionen, besonders die ältesten, niemals kitschig, denn sie transportieren Inhalte, die uns unmittelbar mit der Realität menschlichen Lebens verbinden. Insbesondere die biblischen Texte sind sicher anrührend aber niemals rührselig, sie sind ganz gewiss gefühlsbetont aber nicht sentimental. Sie sprechen nämlich von der berührenden Liebe Gottes, der den Menschen seinen Sohn schenkt, aber sie verschweigen nicht, dass dieses Geschenk kein Luxus ist, sondern notwendig – bitter notwendig.

Dunkel und Licht – Leben und Tod

Das macht schon die Lesung aus dem Jesaja-Buch deutlich. Der Friedensfürst, von dem da die Rede ist, wird gezeichnet vor dem Hintergrund von Unterdrückung und schlimmster Gewalt. Sein Licht strahlt vor dem Hintergrund lebensfeindlicher Finsternis. Seine Freiheit beendet Unterdrückung und Ausbeutung. Sein Friede löst kriegerisches Treiben ab. Dröhnend stampfende Soldatenstiefel und blutgetränkte Mäntel werden abgelegt und verbrannt – was für ein mächtiges Bild! Vorerst freilich nur ein Bild. Ausdruck tiefer Sehnsucht, Hoffnung ausgelöst durch die Geburt eines Kindes. Diesem Kind wird so viel aufgebürdet, soviel Bedeutung und Verantwortung auf die Schultern gelegt. Allein diese Namen: »Wunderbarer Ratgeber«, »Starker Gott«, »Vater in Ewigkeit«, »Fürst des Friedens« – welch ein Kind kann solche Erwartungen je erfüllen? Ein Säugling, gerade geboren, fern davon, die Herrschaft schon zu übernehmen. Und doch eine Hoffnung, freilich eine Hoffnung, die aus der Not geboren ist. Aus der Erfahrung tiefster Demütigung, elender Unfreiheit und brutaler Gewalt. Diese Hoffnung kann sich nicht aus den besonderen Fähigkeiten dieses Kindes speisen, sondern allein aus dem Vertrauen auf Gott: »Der Eifer JHWHs der Heerscharen wird das vollbringen.«

Der römische Kaiser als Friedensfürst?


Auch wenn der Text zu seiner Abfassungszeit sicher nicht an Jesus gedacht hat, wurde er später als Verheißung gelesen, die sich in Jesus endlich, endlich erfüllt hat. Aber ist das wirklich überzeugend? Auf den ersten Blick ganz sicher nicht. »Starker Gott«, »Vater in Ewigkeit«, »Fürst des Friedens« – solche Titel passen nicht zu einem kleinen »Windel-Scheißer«, der hilflos ist wie andere Neugeborene. Ohne elterliche Fürsorge wäre er nicht überlebensfähig. Ließe man ihn einfach in seiner Krippe liegen, würde er sterben.
Wenn es damals jemanden gab, der als Gott, Vater, und Friedensfürst durchgehen konnte, dann wäre es sicher nicht Jesus, sondern der römische Kaiser. Und Augustus trug tatsächlich solche Titel: »Sohn eines Staatsgottes« schrieb er auf seine Münzen, »Gott von Gott« nannten ihn seine Untergebenen in Ägypten. Als »Vater des Vaterlandes« wurde er in Rom verehrt und als der große Friedensfürst verherrlichte er sich selbst. Immerhin hatte er hundert Jahre Bürgerkrieg beendet und dem Reich Frieden und Wohlstand gebracht. Und logischerweise ist er es auch, der im Evangelium die Welt bewegt. Auf seinen Befehl hin setzen sich die Menschen in Bewegung, »jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen«. Dabei ist es egal, ob diese Registrierung der Steuerzahler wirklich so stattfand. Sie dient Lukas als erzählerisches Motiv, um die weltbewegende Macht des Kaisers zu schildern. Der Weltenherrscher hat die Macht, die Menschen seines Reiches wie Figuren auf dem Schachbrett hin und her zu schieben. So eindrücklich schildert das Evangelium die imperiale Macht Roms.
Und doch gehört Lukas nicht zu den Hofdichtern des Kaisers, die ihrem Gebieter mit Preisliedern lobhudeln. Auch wenn er sich keine offene Kritik erlaubt, markiert Lukas doch immer wieder, wo er die wahre Macht und Herrlichkeit sieht. Beispielsweise behandelt er den Ausdruck »Augustus« wie einen Eigennamen. Normalerweise wurde dieser Titel, der nicht weniger bedeutet als »der Erhabene«, ins Griechische übersetzt. So blieb er auch außerhalb der lateinischen Bildungselite verständlich. Lukas übersetzt ihn nicht, sondern schreibt ihn einfach mit griechischen Buchstaben. Jeder weiß, wer gemeint ist, aber die politisch-religiöse Bedeutung geht verloren. Es ist zwar nicht so, dass dadurch aus dem Erhabenen gleich ein August wird, aber von einem majestätischen Titel bleibt halt nur ein Eigenname.

Die Gottesherrschaft steckt noch in den Windeln

Mit solchen Kleinigkeiten macht das Evangelium deutlich, dass der eigentliche Heilsbringer eben nicht der Kaiser ist, sondern Jesus. Sonst bräuchte Lukas sein Evangelium ja auch gar nicht schreiben. Freilich ist dieser Jesus so radikal anders, dass Lukas schon Engel aufbieten muss, damit die Menschen ihn als Heilsbringer erkennen können.
Jesus hat nämlich keine Armee, führt keine Kriege und wohnt nicht im Palast. Er trumpft nicht auf mit dem Glanz der Macht – als Säugling sowieso nicht, aber eben auch später nicht. Er ist ein armseliges Kind in Windeln, in einem Stall geboren, ganz ohne Hofstaat. Wenn ein solches Kind zum Retter, Messias und Herrn, zum Erben Davids erklärt wird, dann liegt es auf der Hand, dass der Frieden, der im Evangelium dieser Geburt verkündet wird, ein ganz anderer sein muss als der, den der Kaiser schafft. Der Frieden auf Erden, den Gott durch seinen Christus verspricht, wird nicht mit Macht und Gewalt erzwungen. Er wird nicht durch die Unterwerfung von Städten und Völkern hergestellt. Er beruht nicht auf der Stationierung kampfbereiter Eingreiftruppen in Unruhegebieten.
Der Frieden, den Gott durch Jesus schenkt, hat mit Zwang und Unterwerfung nichts zu tun. Er eröffnet sich als Programm der Königsherrschaft Gottes. Dieses Programm ist keines, das mit Gewalt von einem Alleinherrscher durchgesetzt werden könnte, es muss wachsen und blühen. So wie damals, als die Menschen unter der Knute Roms standen, sehnen sich die Menschen auch heute noch nach Frieden und Gerechtigkeit, nach einem Leben, das diesen Namen verdient. Die Hoffnung, die mit Jesus in die Welt gekommen ist, ist immer noch nicht erfüllt. Das Reich Gottes ist nicht einfach da, wir leben nicht im Paradies – zumindest die Mehrheit von uns acht Milliarden nicht. Noch immer meinen die Männer der Großmächte, sie könnten ihre Untertanen zum Glück zwingen. Noch immer endet der Versuch, so das Paradies herzustellen, in der Hölle von Not und Unterdrückung.

Und doch nicht vergeblich …


Und doch ist das wahrhaft menschliche Leben keine leere Hoffnung. Gewiss, so wie den Hirten ein Wickelkind als Zeichen gegeben ist, so steckt das Gottesreich bis heute in den Windeln. Als Erwachsener hat Jesus es mit einem Senfkorn verglichen: unscheinbare Kleinheit aber riesiges Potential. Damals wie heute leben wir in diesem Zwischen – zwischen Alt und Neu, zwischen Hoffnung und Verzweiflung, zwischen Liebe und Zerstörung. Und doch ist das Königreich Gottes eine ernstzunehmende Wirklichkeit. Das wahre Leben ist möglich, mitten in so viel Falschem. Es wird Wirklichkeit, wo viele einfache Menschen im Vertrauen auf die Botschaft Jesu furchtlos das Richtige tun. Wo Armen das Ende ihrer Armut verkündet wird, wo gebrochene Herzen geheilt, Kranke gepflegt, Hungrige genährt und Unterdrückte aufgerichtet werden. Wo Flüchtlinge Heimat finden und Fremde willkommen sind, dort wird Gottes Frieden wahr. Diese Wirklichkeit gibt es, und im Licht solcher Wirklichkeit erscheint dann der Zwangsfrieden all der großmächtigen Weltenbeweger – damals wie heute – als reichlich hohle Politpropaganda.

Joachim Kügler

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