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Die Schriftleitung
Leseprobe 2
31. Sonntag im Jahreskreis
Klein sein (Lk 19,1–10)
Statio
Klettern und Kraxeln ist etwas ganz Wunderbares. Ich kann zeigen, wieviel Kraft ich habe, wieviel Mut in mir steckt und am Ende werde ich mit einem guten Überblick, der Sicht von oben, belohnt. Auch wenn man klein ist, wie im heutigen Evangelium der Zöllner Zachäus, hilft es, zu sehen und gesehen zu werden.

Kyrie
Herr Jesus Christus, du hältst auch heute bei uns an, du nimmst uns wahr. Herr Jesus Christus, du forderst uns auf, du bist auch heute bei uns zu Gast. Herr Jesus Christus, du hörst uns zu, du schenkst uns auch heute dein Heil.

Predigtgedanken
Es gibt einen Baum in Israel, und in der Region dort rund um das Mittelmeer, ja bis nach Ägypten hin, der in der Bibel sogar heute extra genannt wurde: der Maulbeerfeigenbaum. Wer diesen Baum in seiner Pracht und Größe sieht, der weiß: Das ist der perfekte Kletterbaum. Er hat einen kräftigen und sehr knorrigen, verhältnismäßig kurzen Stamm, aber oben öffnet sich eine weit verzweigte große Baumkrone. Die Früchte wachsen am Stamm und an den dickeren Ästen, sodass sie selbst bei großer Hitze gut versorgt sind. Maulbeerfeigenbäume sind nahrhaft, spenden guten Schatten und sind sehr genügsam. Es ist also nicht irgendein Baum, den sich der Zöllner Zachäus heute ausgesucht hat, um hinaufzuklettern und Jesus zu sehen, es ist ein Maulbeerfeigenbaum.

In der Bibel steht noch ein Hinweis, jetzt nicht zum Baum, sondern zu der Person des Zachäus: »Er war klein«. Das kennt ihr! Jedoch bedenkt, es gibt zwei Arten von »Klein-Sein«. Zum einen das Noch-nicht-groß-Sein, also noch ein Kind sein, sich noch im Wachstum befinden – körperlich und auch geistig –, oder als erwachsener Mensch halt nie länger und größer geworden zu sein. Doch das zweite »Klein-Sein«, das legen wir Menschen leider fest. Immer dann, wenn wir sagen: »Dafür bist du noch zu klein, das verstehst du nicht.« Oder wenn wir jemanden nicht beachten, ihn übergehen, bewusst nicht hinhören und dadurch zu verstehen geben: »Für mich bist du unwichtig – dich beachte ich nicht, du bist doch für mich nicht auf Augenhöhe.« Dieses zweite »Klein-Sein« habe ich selbst nicht im Griff, und es tut weh, wenn es mich andere spüren lassen. Gegen meine kurze Körpergröße kann ich mir helfen, entweder weil ich ja noch weiterwachsen werde oder weil ich Hilfsmittel wie Hocker oder Leitern, ja zur Not auch Bäume einzusetzen weiß.

Zachäus war klein, so heißt es in der Bibel. Vielleicht war er tatsächlich nicht besonders groß für einen Erwachsenen, mag sein. Aber er war ganz bestimmt klein, weil die Menschen ihm das zu verstehen gegeben haben. Mit einem Zöllner freundet man sich nicht an. Mit einem Zöllner redet man nicht einmal, grüßt ihn nicht, ja vielleicht wechselt man sogar die Straßenseite. Zöllner wurden verachtet, gehörten nicht zum Dorfleben dazu, waren ganz große Außenseiter. Und Zachäus hat auf seine Art es den Leuten gezeigt und es ihnen »heimgezahlt«, indem er bei manchen zu viel Geld abkassiert hat, indem er ihnen zeigte, hier als Zöllner müsst ihr mit mir vorliebnehmen, hier sitze ich am längeren Hebel.

Doch da war noch eine Sache mehr in Zachäus, ein Gefühl, das er niemandem beschreiben konnte, das ihn aber nicht in Ruhe ließ: Er wollte unbedingt diesen Jesus von Nazaret sehen. Im ganzen Dorf wurde von nichts anderem mehr gesprochen, als dass bald Jesus hier durchkommen musste. Ihn nur einmal sehen. Ihn nur einmal kurz in den Blick nehmen, das musste schon genügen, um zu erkennen, ob es wirklich der Mann ist, von dem alle sagten, dass er Gottes Sohn sei.

Aus dieser Neugierde heraus klettert Zachäus auf den Maulbeerfeigenbaum. Und: Jesus sieht ihn, bleibt stehen, spricht mit ihm und kehrt sogar bei Zachäus zu Hause zum Essen ein. Das ärgert den Rest des Dorfes. Doch Zachäus erkennt in der Begegnung und im Gespräch mit Jesus, dass er sein Leben selbst ändern kann. Er benennt gegenüber Jesus seine Fehler, sein Ausspielen der Macht. Er hätte es gar nicht tun müssen, doch weil Jesus ihm Ansehen, Aufmerksamkeit, Zeit und Zuwendung schenkt, fällt es Zachäus erstaunlicherweise gar nicht schwer. So kann Jesus sagen, dass heute diesem Haus das Heil geschenkt wurde. Zachäus ist geheilt, anders als vielleicht kranke Menschen. Zachäus ist geheilt, weil er in Jesu Augen nicht klein ist. Zachäus ist bei Jesus groß! So wie jede und jeder!

Fürbitten
Herr Jesus Christus, du bleibst bei uns stehen, hältst bei uns an und hörst unsere Bitten:
– Wir beten für alle Menschen, die übergangen werden, die zu kurz kommen, deren Meinung wir gar nicht hören wollen.
– Wir beten für alle Menschen, die bereit sind sich zu ändern, die erkennen, was in ihrem Leben falsch läuft, die einen Neuanfang wagen.
– Wir beten für alle Menschen, die andere ganz machen, die für Heilung sorgen – durch eine Umarmung oder liebe Zuwendung, durch medizinische Hilfe, durch guten Rat.
– Wir beten für alle Menschen, die nicht auf Vorurteile und Vorwürfe anderer hören, die selbst die Begegnung suchen und so Frieden auf Erden möglich machen.
– Wir beten für alle Menschen, die für uns immer eine offene Tür und ein verständnisvolles Ohr haben, die uns zuhören, die uns ermutigen, die unsere Launen aushalten.
Gott, unser Vater, dein Sohn Jesus Christus hat Zachäus das Heil geschenkt, sodass sein Herz und seine Seele wieder gesund werden konnten. Schenke auch uns immer wieder diesen Neuanfang, damit wir auf dem Weg zu dir bleiben, heute und jeden Tag unseres Lebens.

Christine Stauß

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