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Die Schriftleitung
Leseprobe 1
32. Sonntag im Jahreskreis
I. »Totaliter aliter« (Lk 20,27–38)

Statio
Gibt es eine Auferstehung von den Toten? »Was für eine Frage – natürlich!« denken jetzt viele hier. Aber ich bin mir sicher, viele andere haben da ebenso gut ihre Zweifel und halten es eher für wahrscheinlich, dass mit dem Tod das Leben schlicht aus ist und vorbei. Einer Umfrage zufolge glauben gerade mal sechs Prozent der über 65-Jährigen an ein ewiges Leben nach dem Tod im Himmel; aber mehr als die Hälfte (56 %) der über 65-Jährigen sind der Ansicht, dass der Tod das Ende des Daseins bedeutet. 2.070 Personen ab 18 Jahren nahmen letztes Jahr an der Umfrage teil. Interessanterweise sind es bei den 18- bis 24-Jährigen fast dreimal so viel, die an ein Leben nach dem Tod glauben, als bei den Älteren; aber die überwiegende Mehrheit glaubt nicht daran1. Das Evangelium gibt uns heute Gelegenheit, uns näher mit der Frage zu beschäftigen. An die Auferstehung der Toten zu glauben, an ein Leben nach dem Tod – macht das Sinn? Wie macht das Sinn?
Thomas Luksch


Eine Erzählung aus dem Mittelalter berichtet von zwei Mönchen, die sich auf ihren Spaziergängen wieder und wieder über die Auferstehung der Toten unterhalten haben. Wie würde es bei Gott sein? Sie haben sich alles genau ausgemalt. Manchmal dachten sie, sie sähen den Himmel bereits vor sich. Dann wieder hatten sie Zweifel. Was wäre, wenn ihre Bilder und Vorstellungen völlig falsch wären? Sie beschlossen darum eines Abends: Wer zuerst stirbt, soll in der Nacht nach seinem Tod dem anderen erscheinen und nur ein einziges Wort sagen: »Taliter: Es ist so« oder »Aliter: Es ist anders«. Kurz darauf stirbt einer der beiden. In der Nacht erscheint er, wie abgemacht, seinem Freund. »Taliter?«, fragt der ihn. Er schüttelt den Kopf. »Aliter?«, fragt der Freund ängstlich. Wieder schüttelt der andere den Kopf und sagt ganz leise mit einem feinen Lächeln: »Totaliter aliter: Es ist vollkommen anders«!

Unterschiedliche Ansichten zum Leben nach dem Tod heute …

Wir Christen bekennen im Apostolischen Glaubensbekenntnis: »Ich glaube an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben«. Fragen Sie aber einmal Menschen, was diese Aussage für sie bedeutet, werden Sie vermutlich ganz unterschiedliche Antworten erhalten. Eine europäische Umfrage zeigt jedenfalls eine große Unsicherheit vieler Zeitgenossen angesichts der Vorstellungen eines Lebens nach dem Tod: Die meisten haben keine klare Vorstellung. Für die Hälfte der Befragten ist es ohne Bedeutung, ob es ein Leben nach dem Tod gibt. Ebenso viele hoffen aber, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Nur ein Viertel glaubt, dass wir mit Leib und Seele von den Toten auferstehen. Viele glauben dagegen an ein Weiterleben ohne Körper.

… und damals zur Zeit Jesu

Vor diesen oder ähnlichen Fragen standen auch die Juden, die Zeit- und Glaubensgenossen Jesu. Viele von ihnen hofften auf die Auferstehung, ohne sie sich vorstellen zu können. Sie hatten unterschiedliche Überzeugungen, die sich sogar widersprachen. Die Glaubensrichtung der Pharisäer, der Verfechter der Hoffnung auf Auferstehung, stand gegen die der Sadduzäer, die diese Hoffnung geleugnet haben.

Die Frage, um die es im heutigen Evangelium geht, ist die: Welche Position hat Jesus inmitten dieser unterschiedlichen Sichtweisen bezogen? Schließt er sich der Gruppe der Pharisäer an oder denkt er ähnlich wie die Sadduzäer? Die Sadduzäer argumentieren von einem Ansatzpunkt her, der für uns heute nicht ohne weiteres zu verstehen ist. Sie erkennen nur die fünf Bücher Mose als Heilige Schrift an. Sie berufen sich darum auf eine Stelle aus dem Buch Deuteronomium, dem fünften Buch Mose (vgl. Dtn 25,5f ). Dort steht, dass ein Bruder seinem Bruder Nachkommen zu sichern hat, falls dieser kinderlos stirbt. Sie konstruieren das absurde Beispiel von sieben Brüdern, die kinderlos sterben. Und sie stellen dann voller Ironie und Spott die Frage: »Wessen Frau wird sie denn nun bei der Auferstehung sein« (Lk 20,33)?

Die erste Antwort Jesu: Anteil haben am Leben Gottes

Jesus geht auf die Ausführungen der Sadduzäer im Einzelnen nicht ein, weil sie von falschen Voraussetzungen her argumentieren. Er beschreibt Heiraten und Sterben als irdische Realitäten. Diese Lebensbedingungen aber gelten nicht für jene Welt Gottes, an der wir Anteil erhalten in der Auferstehung. Er entlarvt die Vorstellung, man könne in der jenseitigen Welt heiraten und geheiratet werden, Kinder zeugen und Familien gründen, als geradezu lächerlich. Auferstehung heißt für ihn nicht eine »Neuauflage« des irdischen Lebens, in der der bislang noch nicht ausgelebte »Fundus« an Lebensmöglichkeiten realisiert werden kann. Auferstehung bedeutet für ihn vielmehr: Anteil erhalten am Leben Gottes, als Sohn oder Tochter in der Wirklichkeit Gottes leben.

Die zweite Antwort Jesu: Gott als einziger Garant eines Lebens über den Tod hinaus

Jesus folgert in einer zweiten Antwort aus der Bezeichnung Gottes als Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs: Dieser Gott ist »kein Gott von Toten, sondern von Lebenden« (Lk 20,38). Er spricht nicht von einer vergangenen Beziehung zu den Vätern, sondern von einer bleibenden. Der lebendige Gott will das Leben und Heil der Menschen, nicht ihren Untergang und ihren Tod.

Keine konstruierten, sondern existentielle Schwierigkeiten mit der Auferstehung


Vielleicht haben Sie schon einmal einen lieben Menschen, einen Angehörigen oder einen Freund, beim Sterben begleitet. Sie haben dabei vermutlich Ihre ganze Ohnmacht und Hilflosigkeit erlebt. Sie haben gespürt: Hier bin ich mit all meinen Möglichkeiten und meiner Kraft am Ende. Hier kann ich den anderen mit all meiner Liebe nicht mehr am Leben erhalten. Und wenn Sie dann am Grab dieses Menschen stehen, dann wird die Frage nach der Auferstehung der Toten für Sie auf einmal ungemein aktuell und existenziell: Was glaube ich? Glaube ich, dass mit dem Tod alles aus ist? Oder glaube ich an ein Leben nach dem Tod? Glaube ich, dass Gott über mehr Möglichkeiten verfügt, als ich mir vorstellen kann?

Der Macht Gottes trauen Jesus ist jedenfalls überzeugt:

Es gibt eine Auferstehung der Toten! Er schweigt sich aber über das »Wie« aus. Er lehnt vor allem die Vorstellung, dass es im Himmel so sein wird wie auf der Erde, nur schöner und besser, ab (zumindest im Hinblick auf das Heiraten und Sterben). Er macht deutlich: Wir Menschen werden in der Welt Gottes »anders« sein. Das Leben, das Gott uns schenken wird, wird sich nicht mehr im Rahmen dieser Welt und unserer irdischen Erfahrungsmuster vollziehen: »Totaliter aliter«, »es ist vollkommen anders«. Ich kann also die Wirklichkeit der Auferstehung mit meinen menschlichen Vorstellungen weder erfassen noch beschreiben. Ich kann sie aber mit all meinen Kräften erhoffen. Ich kann ganz in die Macht Gottes hinein leben und von diesem Gott, der mitgeht und hält, was er versprochen hat, alles erwarten. Ich will es pointiert so sagen: Ich lasse mich von Gott einfach überraschen! Ich vertraue darauf, dass er am Ende keine böse Überraschung für mich bereithält. Ja, ich rechne fest damit, dass Gott meine kühnsten Erwartungen weit übertrifft.


Anmerkung
1 Umfrage des Erfurter Markt- und Sozialforschungsinstituts INSA-Consulere, durchgeführt im Auftrag der Evangelischen Nachrichtenagentur idea; veröffentlicht auf Katholisch.de am 4.11.2018


Peter Seul

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