archivierte Ausgabe 3/2018 |
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Die Schriftleitung |
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Leseprobe 2 |
Zur Hochzeit |
I. Der göttliche Lufthauch |
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Biblische Bezugstexte: 1 Kön 19,11–13, Joh 20,19–23
Wir hörten soeben ein pfingstliches Evangelium: Jesus tritt in die Mitte der Jünger und haucht sie an: »Empfangt den Heiligen Geist«. Dieses Beatmen, Einhauchen ist ein uraltes biblisches Bild. Im Buch Genesis formt Gott den Adam, d. h. den Menschen, aus Lehm, einem ganz irdischen, vergänglichen Material. Und er bläst in seine Nase den Lebensatem. Ein »lebendiges Wesen entsteht«, von Gottes Atem durchdrungen (Gen 2,7).
In der jüdischen Glaubenstradition gibt es die Vorstellung: Die Geburt ist der erste Kuss Gottes – Leben wird eingehaucht. Das Sterben ist der letzte Kuss – Gott nimmt den Atem zurück. Und dazwischen die Liebesgeschichte Gottes mit den Menschen. Heute feiern wir eine Etappe dieser Liebesgeschichte Gottes mit N und N.
Mit dem göttlichen Ein-Atmen wird uns in biblischer Bildersprache gezeigt: Alles Leben, alle Vitalität kommt aus dieser Einatmung, lateinisch Inspiration. Erst der göttliche Hauch macht uns Menschen lebendig und beziehungsfähig, gemeinschaftsfähig, bringt Schwung und Dynamik ins Leben, gibt Energie, Schaffenskraft, Lebensfreude.
Warum bringe ich bei eurer Hochzeit diesen so pfingstlichen Gedanken? Ich bin überzeugt und wir dürfen überzeugt sein: Dieser göttliche Atem, der Heilige Geist, erfüllt auch euch beide. Wo zwei zueinander finden, wo es funkt, wo sich eine belebende Spannung aufbaut und man Spannungen aushält, wo Mann und Frau miteinander ihren Weg gehen und lebendiger werden und aufblühen und die Freude aneinander wächst – da ereignet sich Pfingsten. Da tritt ER in die Mitte einer Beziehung und haucht sie an. Da kommt das Leben zum Leben.
Liebe Hochzeitsgäste, mit diesem Hochzeitsfest heute feiern wir dieses pfingstliche Geschehen bei N und N. Durch dieses Fest mit ihren Angehörigen, mit Freundinnen und Freunden sollen beide gestärkt werden in ihrer Hoffnung und Zuversicht: Jesus Christus ist in unserer Mitte, und es wird uns »die Luft« nicht ausgehen, dieser göttliche Atem, der unser Miteinander belebt. Ich mache jetzt einen Gedankensprung und bleibe doch beim Thema. Im Bereich vom Münchner Hauptbahnhof hing einmal zwischen Werbeplakaten ein Spruch von Albert Schweitzer. Ein Zitat – keine Werbung und doch eine Werbung, darüber nachzudenken. Mich hat dieser Spruch geradezu elektrisiert. Er lautet: »Jahre runzeln die Haut, aber den Enthusiasmus aufgeben runzelt die Seele.«
Jahre runzeln die Haut. Das ist das Gesetz des Alterns. Aber den Enthusiasmus aufgeben runzelt die Seele, lässt unser Innerstes alt, runzelig, trocken werden. Das kann schon in den besten Jahren geschehen. Und nicht nur ein jeder und eine jede von uns hat eine Seele. Jede Freundschaft, jede Gemeinschaft und so auch jede Ehe hat eine Seele, einen innersten Kern. Natürlich nicht materiell zu verstehen, sondern geistig, ja spirituell. Dieses Innerste hat mit Gott zu tun. Wann »runzelt« die Seele? Nach Albert Schweitzer, wenn wir den Enthusiasmus aufgeben. Doch was bedeutet eigentlich dieses Wort? Es kommt aus dem Griechischen: »Enthu« meint in Gott sein, von Gottes Geist erfüllt sein, angehaucht, inspiriert.
Liebe N., lieber N., so wünsche ich euch, dass Ihr diesen göttlichen Lufthauch zwischen euch immer neu spürt und ihm Raum gebt. Er kann im Sturm kommen und euch durchrütteln, aber auch ganz zärtlich wie ein »sanftes, leises Säuseln«. Ihr erinnert euch an die Lesung vom Propheten Elia am Berg Horeb, dem in den leisen Tönen, im sanften Lufthauch Gott begegnet.
Ich wünsche euch, dass Ihr euer Innerstes – eure Seele – auch wirklich pflegt. Diese Pflege zeigt sich im achtsamen Umgang miteinander, in der Zeit füreinander, in Zärtlichkeit und Respekt, in Vergebung und Geduld. Es ist die Pflege eurer ehelichen Beziehung in dem Glauben, dass Gott gerade darin erfahrbar ist; dass zwischen euch der göttliche Esprit weht und wirkt. Achtet also auf die Seele eurer Ehe! Im Wissen um diese Achtsamkeit werdet Ihr euch nun das Ja-Wort sagen.
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Hans Lindenberger |
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