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Die Schriftleitung
Leseprobe 2
DAS THEMA: DAS NEUE GOTTESLOB
Von der geschenkten Sprache. Hintergründiges zum Gebetsteil des neuen »Gotteslobs«
Wenn man eine Bergwanderung macht oder ein Gebirge bestiegen hat, wieder an den Ausgangspunkt zurückkehrt und noch einmal zurückschaut, dann gewahrt man im Zurückschauen auf das zuvor begangene Panorama allein das Profil des Berges oder der Bergkette, eben die deutlich sich abzeichnenden Umrisse. Die Einzelheiten des langen Weges, die man zuvor kaum erahnt und dann im Begehen erfahren hat, kann man nicht mehr erkennen, man kann sie wohl erinnern mit denen, die den Weg mitgegangen sind. Die markanten Punkte jedoch, auch eindrucksstarke Einzelheiten, die sieht man neu. Sie bleiben in Erinnerung und prägen sich ein. Auf sie kann man hinweisen.

Wenn man auf die Entstehung des neuen Gotteslobs zurückschaut, auf alle Phasen der Arbeit der verantwortlichen »Unterkommission GGB« (Gemeinsames Gebet- und Gesangbuch) mit Bischöfen und Beratern seit 2002, auf die immense Arbeit der 10 Arbeitsgruppen, auf Wünsche, Ideen und Vorschläge von interessierten Außenstehenden, auf Rücksichtnahmen und Einsprüche, wenn man die vielen Wege, die zahlreichen Entscheidungen, die Revisionen, die auch immer neue Schwerpunkte und Kürzungen aus dem gemeinsamen Lernen beinhalten, die Enttäuschungen und Neuanfänge überblickt – gibt es im Profil des fertig gestellten Werkes einen »archimedischen Punkt«, von dem alles zusammengehalten ist? Oder anders: Gibt es ein »Wasserzeichen« der ganzen irdischen und himmlischen Welt, das überall durchschimmert, wenn man es gegen das Licht hält? Gibt es ein »Herzwort«, das alle Teile des neuen Gotteslobs erschließen kann und innerlich verbindet?

Vom »Herzwort« des Gotteslobs

Dass das »Pascha-Mysterium« Christi Jesu in allen Teilen des Gotteslobs durchscheint als das »Herzwort«, das ist die Hoffnung derer, die das neue Gebet- und Gesangbuch erarbeitet haben. Denn das Pascha-Mysterium ist die alles bestimmende Heilstat Gottes, die die Einheit der Heilsgeheimnisse zentriert und in der liturgischen Feier wie im spirituellen Leben eines Christen als Einheit des Handelns Gottes bzw. Christi Jesu und der Glaubenden / der Gemeinde zum Ausdruck kommt. Pascha ist der Inbegriff der Gegenwart des Christus-Mysteriums. Das Pascha-Mysterium, die Einheit von Tod und Auferweckung Jesu Christi, ist die Grundprägung eines Christen, ist sein neues Leben und sein spiritueller Lebensraum. Er eröffnet sich vierfach: zunächst im österlichen Triduum als dem Zentrum des ganzen Kirchenjahres, dann im Herrentag, dem Sonntag, als dem Zentrum der Woche in der Gedächtnisfeier des Todes und der Auferweckung Jesu Christi, weiter in der Feier der Sakramente, die den Christen in den Übergang Jesu aus dem Tod in das neu gegründete, eben neue Leben eingliedern, schließlich in allen anderen liturgischen Feiern wie der Tagzeitenliturgie, den Wort-Gottes-Feiern, den Andachten wie auch den Gebeten, die den Tag bestimmen und helfen, dass das ganze Leben des Christen von der göttlichen Liebe zwischen Vater, Sohn und Geist durchdrungen wird und so zur Umwandlung des Menschen führen soll. Hier wirkt sich das Pascha-Mysterium unmittelbar auf das persönliche Glaubensleben aus.

»Mit ‚Pascha-Mysterium’ hat das Zweite Vatikanische Konzil so etwas wie eine ‚Kurzformel’ der Selbstmitteilung Gottes in der Geschichte des Heils (und, von den Menschen her, auch des schuldhaften Unheils) geprägt.« So resümiert Angelus Häußling im Verweis auf die Konzilsdokumente SC 5.6.61.14.106; GS 22.38.53; OT 8; AG 14; UR 11. Diese Kurzformel des Zweiten Vatikanischen Konzils, die den Kern des Glaubens verdichtet, steht im Hintergrund des gesamten Gotteslob und spiegelt sich zumindest implizit in seiner Gliederung. Seine großen drei Hauptteile sind so überschrieben:

I. Geistliche Impulse für das tägliche Leben (mit den Unterabschnitten: Gottes Wort hören – Umgang mit der Heiligen Schrift / Im Gebet antworten / In der Familie feiern / Den Glauben leben).

II. Psalmen, Gesänge und Litaneien (beim Abschnitt »Gesänge« taucht das Vierfachprinzip des Pascha-Mysteriums auf: Tag / Woche / Jahr / Leben).

III. Gottesdienstliche Feiern (mit den Gliederungsabschnitten: Die Feier der Sakramente / Die Feier der Sakramentalien / Die Tagzeitenliturgie / Die Wort-Gottes-Feier / Andachten).

Es bedarf einer gewissen »Zeigekunst« und auch »Findekunst«, damit das hintergründige Zentrum des Pascha-Mysteriums immer wieder auf leuchtet. Da es so unterschiedliche Lied- und Gebetsgattungen, Gottesdienstformen und Anlässe für die unterschiedlichen Feiern gibt, war das Gliederungsprinzip vordergründig nicht konsequent durchzuhalten.

Ein programmatischer Beginn

Programmatisch beginnt das Neue Gotteslob mit dem Jesuswort in Lk 11,28: »Selig sind die, die das Wort Gottes hören und es befolgen.« Es ist die Antwort Jesu auf den Zwischenruf einer Frau, die mitten im tiefsten Patriarchat lebt und im Angesicht Jesu mutig daran erinnert, dass es auch noch eine Frau gibt, seine Mutter, die es in dieser Stunde zu bewundern gilt. Die vorausgehende Verkündigung hat der Frau sichtlich die Zunge gelöst. Die gute Botschaft, die Jesus ihr offenbar in dieser Stunde erschlossen hat, macht sie frei zu sprechen. Dann greift Jesus auf, was die Frau sagt und gibt ihr zu verstehen, dass sie erfasst hat, was Gott ihr an diesem Tag sagen will. Nun soll sie dieses Wort in ihrem Leben wirken lassen. Es wird sie verändern. Sie wird selig werden. Jesus sagt das in seiner diskreten Weise indirekt. Er blickt auf die Frau und auf alle anderen, die im Kreis sitzen. Was er der Frau sagt, will alle weiterführen, deren Herz sich aufgetan hat. Wenn das, was er von Gott sagen wollte, in ihren Herzen Widerhall gefunden hat, sollen sie gehen und im Leben ausprobieren, was er gesagt hat. Das Ausrufezeichen hinter allem heißt: Ihr werdet sehen, es trägt!

Das Gotteslob beginnt also mit der Frage, wie unser Leben gelingen kann. Und es antwortet unmissverständlich mit diesem Jesuswort, ohne Wenn und Aber: Unser Leben wird gelingen, wenn Gottes Wort uns in der Tiefe erreicht, unser Herz weitet und uns Mut macht, es im Alltag umzusetzen.

Damit ist ein vielleicht unscheinbarer, jedoch folgenreicher Anfang gesetzt: Der Glaube kommt nicht von menschlichem Erfindungsreichtum und nicht von noch so kreativer Anstrengung, er kommt vom (nicht nur akustischen) Hören: »Also kommt der Glaube aus dem Hören, das Hören aber durch das Wort Christi« (Röm 10,17 – Jerusalemer Bibel 1968). Niemand kann sich das Evangelium selbst verkünden. Selbst wer für sich allein die Heilige Schrift liest und mit ihr betet, kann das christlich nur dank der Vermittlung anderer, durch die ihm das Wort glaubhaft geworden ist. Entsprechend ist der Mensch »Hörer des Wortes« (Karl Rahner). Er soll im Hören verstehen, was niemand sich selbst ausdenken und aus sich heraus herstellen kann.

Die christlichen Glaubensgemeinschaften sind der tiefen Überzeugung, dass Gottes Geist im Prozess des Entstehens und der Auslegung der Heiligen Schrift wirksam ist. Nach einer alten christlichen Bildtradition ist der Heilige Geist das »Band der Liebe« (vinculum amoris), das die Geschöpfe zur Gotteserkenntnis in Jesus Christus führt. Vorrangiger Ort dieser Erkenntnis sind die biblischen Schriften.

Die Heilige Schrift, das am meisten gedruckte und übersetzte Buch der Welt, will gelesen werden. Die Kirche sieht sie, die zweieine Schrift des Alten und Neuen Testamentes, als ihre Schrift. Sie lebt davon, dass die Bibel gelesen wird, und zwar in der Gemeinschaft des Gottesvolkes wie auch im Leben des einzelnen. Die Kirche hätte keinen Halt, wenn sie sich nicht an die Bibel halten würde. Die Bibel selbst ruft nach einer Alltagskultur im Umgang mit ihrem Wort, damit dieser Halt immer neu erfahrbar wird.

Deshalb werden im Gotteslob zu Anfang Weisen der Schriftlesung vorgestellt, um der Wichtigkeit dieses Grundsatzes zu entsprechen. Und zwar werden in dieser Reihenfolge die
– Schriftlesung im Gottesdienst
– Persönliche Schriftlesung
– sowie das Bibellesen in Gemeinschaft
aufgeführt. Prominent sind die persönliche Schriftlesung und das Bibellesen in Gemeinschaft erläutert. Mit dieser Hilfestellung bekommt der Grundsatz konkrete Gestalt. Die persönliche Schriftlesung, im Zweiten Vatikanischen Konzil (vgl. DV 21.24.25) rehabilitiert, wird in einer Variante der klassischen lectio divina dargeboten, wie sie etwa Kardinal Martini in seinen weit verbreiteten Büchern praktiziert hat. Darin hält er sich an die Schritte: a. sich Gottes Geist öffnen, b. meditierendes Lesen; c. Verweilen bei einem Wort oder Satz; d. Antwort im Gebet. Für das Bibellesen in Gemeinschaft wird das Bibel-Teilen in einem ersten Aufriss dargestellt. Wichtig zu seiner Kennzeichnung ist, dass »Bibel-Teilen … keine Methode der Bibelarbeit neben den zahlreichen anderen (ist), sondern ein gottesdienstlich-meditatives Geschehen.« Viele Menschen finden durch das Bibel-Teilen nicht nur einen neuen Weg zur Bibel, sondern zu einem lebendigen Glauben und zur Gemeinschaft der Mitglaubenden. Darin geschieht sowohl ein Teilhaben als auch ein Teilgeben am Evangelium. Bibel-Teilen ist ein Weg zur Einübung des Glaubens. Es kann die Gemeinschaft im Wort ermöglichen.

Unter diesem Vorzeichen stehen nun alle weiteren Texte und Lieder, ja auch alle Formen des Gottesdienstes. Sie sind Antwort auf das gehörte Wort. Dass die Kirche sich so versteht und nicht anderes verstehen kann, wenn sie wirklich Kirche ist, wird in einer Konzilsdarstellung aus einer Handschrift des 9. Jahrhunderts zum zweiten allgemeinen Konzil von Konstantinopel (381 n. Chr.) auf ungewöhnliche Weise ins Bild gebracht: Auf einem goldenen Thron, der mit kaiserlichem Purpur bedeckt ist, ist das Evangelienbuch aufgestellt. Es bestimmt den ganzen Bildausschnitt. Um dieses Buch herum sind die Konzilsväter gruppiert. Das Buch der Bibel verweist dabei auf die unsichtbare Gegenwart Christi, der im Wort durch seinen Heiligen Geist zum wahren Glauben führt. Zugleich wird deutlich, dass die Versammlung »unter dem Wort Gottes« steht. Sie soll das Wort Gottes hören und auslegen für die jeweilige Zeit. Niemand kann und darf über das Wort Gottes verfügen und es beherrschen.

Solche Weise der Gemeinschaft im Wort wie auch des Hineinwachsens in den Glauben endet nicht an der Kirchentüre. Sie führt zu einem offenen Bekenntnis des Glaubens, ganz im Sinne Jesu, der die selig preist, die das Wort Gottes hören und es befolgen. Damit gibt es keine glaubensfreie Zone im Leben. So ist auch das Grundanliegen des neuen Gotteslobs aufgenommen: Es ist sowohl das Buch für die lebendige Mitfeier der Gottesdienste als auch ein Hausbuch für die Familie und Gruppen.

Von der Gabe und Aufgabe der Sprache

Sehr mühselig kann es sein, wenn man ganz auf sich allein gestellt ist und alles selbst organisieren oder gar erfinden muss. Alle Menschen sind auf die Anregung und Hilfe anderer angewiesen. Wollten wir das Unmögliche – nur auf jeweils uns allein bauen –, wir würden an völliger Überanstrengung und fortschreitender Erschöpfung verkümmern, unglücklich in uns selbst und eher störend und belastend für andere. Auch im Glauben fängt niemand am Nullpunkt an. Wir stehen geradezu auf den Schultern unserer Mütter und Väter im Glauben, hören von ihnen das glaubhafte Wort. Damit ist eine Rückendeckung gegeben, die vor eigenen Überforderungen und Überschätzungen bewahrt und zugleich befähigt, selbst einen Schritt weiterzugehen.

Eindringlich veranschaulichen lässt sich das am Ausgang der biblischen Josefsgeschichte (Gen 37–50). Nach dem Begräbnis des Stammvaters Jakob in der Höhle von Machpela in Kanaan (Gen 50,13), und der gemeinsamen Rückkehr von dort springt die Brüder tiefe Sorge an: »Wenn sich Josef nur nicht feindselig gegen uns stellt und uns alles Böse vergilt, das wir ihm getan haben« (50,15). Wie sollen sie sich verhalten in dieser komplizierten Situation, in der Angst, ob Josef mit ihnen abrechnet? Die Erzählung beschreibt den Weg, den sie gehen. Zunächst lassen die elf Brüder dem Josef ein Wort ihres Vaters übermitteln. Sie greifen damit auf das Erbe ihres Vaters zurück: »Dein Vater hat uns, bevor er starb, aufgetragen: So sagt zu Josef: Trage du doch das Verbrechen deiner Brüder und ihren Gemeinschaftsbruch, denn Böses haben sie dir bereitet« (50,16.17a). Der Vater hat den Söhnen in Anerkenntnis dessen, was geschehen ist, einen Weg geebnet, er hat ihnen die Sprache gegeben. In manchen Augenblicken ist es die größte Hilfe, Worte zu bekommen. Die Brüder lassen Josef das Wort des Vaters übermitteln. Noch wagen sie nicht, ihr Schuldeingeständnis selber ihrem Bruder Josef vorzutragen. Für das vermittelte Wort an ihn holen sie sich einen dreifachen Schutz: Sie verweisen auf den unantastbaren »letzten Willen« ihres Vaters (50,16), auf seinen Auftrag. Sie beziehen sich sodann auf zwei über Josef stehende Autoritäten, – auf »deinen Vater«, und auf den lebendigen Gott, indem sie sich als »Diener des Gottes deines Vaters« (50,17) bezeichnen. Auf der Grundlage des ererbten Wortes des Vaters und mit diesem Schutz wagen sie es schließlich, ein eigenes Wort anzufügen und zum ersten Mal unmittelbar ihre Schuld auszusprechen, auch diesmal noch von anderen übermittelt: »Nun, trage doch die Vergehen der Diener des Gottes deines Vaters!« Welch ein Weg zum persönlichen Schuldeingeständnis! Wie viel verwickelte Vermittlung wird hier gebraucht, um persönlich zu werden vor Josef und damit auch vor dem Gott des Vaters!

Genau darin liegt die Intention der Gebetstexte im neuen Gotteslob: Wer es zur Hand nimmt, erfährt eine Rückendeckung für das Beten, bekommt die Gabe der Sprache und lernt damit, ein eigenes Wort anzufügen. Der Gebetsteil (Nr. 2–22) korrespondiert schon in seiner Überschrift »Im Gebet antworten« theologisch kongruent mit dem Auftakt der geistlichen Impulse »Gottes Wort hören«. Wieder dient ein Schriftwort als Kompass, und zwar ist es der Einleitungsvers Lk 11,1 aus der kleinen Gebetsschule Jesu: »Herr, lehre uns beten!« Die bittenden Jünger sind gläubige Juden. Sie haben von Kind auf beten gelernt – wie wir. Doch sie sind sich unsicher darüber geworden, ob ihre Art zu beten taugt. Sie möchten die andere Weise zu beten erlernen, die sie an Jesus beobachten: Herr, wie machst du das? Was geschieht mir dir, wenn du betest? Wie können wir beten, dass wir so aus dem Gebet herauskommen wie Du? Jesus hält ihnen als Antwort keinen Vortrag. Er hält ein Gebet hin, das Vaterunser, wie einen Mantel, in den man hineinschlüpfen kann. Erst wenn man einen Mantel anzieht, merkt man, ob er einem passt, ob er einen schützt und wärmt. Eine gravierende Kritik am religiösen Sprachgebrauch heute bezieht sich auf das Verharren im Traditionellen, während es gleichzeitig zu einem Abbruch kirchlicher Traditionen kommt. Doch die Gebetstradition lebt davon, dass jeder sich sein persönliches Gebet erarbeiten muss. Die eigenen mitmenschlichen Beziehungen und die Probleme der Zeit wie auch der eigene Gemütszustand geben dafür den Stoff ab. Beten ist immer auch Denkarbeit und darin Spracharbeit.

Dieser Grundgedanke leitet die Auswahl der Gebete, die in Anlässen, Formen, Lebensalter der Autoren und auch Herkunft sehr unterschiedlich sind. Alle Gebete sind exemplarisch zu verstehen; sie sollen zum eigenen Anschlussgebet anregen. Wenn das nicht gelingt, kann ein schon vorgegebenes Gebet eine große Hilfe sein. Für den Druck haben die Gebete ihre ursprüngliche oft poetische Struktur sichtbar zurückbekommen.

Der Hinführung, die das Gebet als Antwort auf Gottes vorausgehendes Wort und damit als »sprechenden Glauben« (Otto Hermann Pesch) beschreibt, folgt eine wohlüberlegte Gliederung der Gebete:
1. Grundgebete und Glaubenstexte;
2. Im Haus Gottes;
3. Vor Gottes Angesicht;
4. In Gemeinschaft mit Maria, den Engeln und Heiligen;
5. Meine Zeit in Gottes Händen;
6. Mein Leben vor Gott bringen;
7. Die Welt vor Gott bringen;
8. In den Anliegen der Kirche.

Im Bogen dieser Gebetsgruppen gibt es viele Schätze zu entdecken und zu heben. Zwischen den Gebeten sind immer auch Gebetsweisen in gebotener Kürze erschlossen, wie etwa das Rosenkranzgebet (4,1) oder das Jesusgebet (6,8). Eine in dieser Form neue Erschließung behandelt den Kirchenraum (5). Sie soll helfen, ihn nach und nach als Bereich der Gegenwart Gottes in seinen verschiedenen Dimensionen wahrzunehmen. Das Grundmotiv von Gottes Initiative in allem spiegelt sich in vielen ausgewählten Gebeten: »Noch bevor wir dich suchen, bist du bei uns. / Bevor wir deinen Namen kennen, bist du schon unser Gott« (6,1). Einen Weg zum innerlichen Gebet bietet ein kleines Gebet von Johannes Bours (1913–1988), das wie das »Gegrüßet seist du, Maria« beim Rosenkranz mit Anrufungen versehen und dann gebetet werden kann. Dieses Gebet ist ganz auf das Pascha-Mysterium zentriert: »Herr Jesus Christus, / Sohn des lebendigen Gottes, / du bist das Herz der Welt. / Wir preisen dich, – / Rette uns durch deinen Tod / und deine Auferstehung / für die Ewigkeit in Gott.«

Neu ist auch im Vergleich zu allen anderen Gebet- und Gesangbüchern ein Klagegebet (8,9). Es dreht sich im Angesicht von Unglück und Hoffnungslosigkeit um die Frage: »Gott, wie hältst du das aus?« Mariengebete von Martin Luther und Christa Peikert-Flaspöhler (10,2+3) zeigen die auch ökumenische Spannweite der Gebetstexte. Was ein Tag an Möglichkeiten zum betenden Innehalten eröffnet, ist vielfältig vorgestellt (11–13). Dass Menschen unterschiedlichen Alters ihr Leben in Hoffnung und auch in Enttäuschung vor Gott bringen, zeigt ein großer Abschnitt (14–18). Er konnte aus diözesanen Gebetsheften (z. B. »Gott, du bist überall« und »Ich bin da« jeweils aus dem Bistum Münster) schöpfen. Ein jüdisches Friedensgebet (20,5) im Anliegen des Dialogs zwischen den Religionen lässt ebenso aufhorchen wie ein Gebet um geistliche Berufe von Bischof em. Franz Kamphaus (21,3). In dieses Gebet eingewoben ist eine kleine Theologie des Amtes: »Wir brauchen die Verkündigung deines Evangeliums, die Erfahrung deiner Gegenwart in der Eucharistie und in den anderen Sakramenten«, um von daher die Ausrichtung des Priestertums auf die Menschen am Rand zu betonen. Darin gibt es auch eine implizite Ekklesiologie: »Lass … die Kirche unseres Bistums … nicht ihren Auftrag vergessen, die Gläubigen in ihrer Berufung zu fördern.«

Über das gesamte neue Gotteslob verteilt gibt es zahlreiche Gebetstexte, nicht nur die Psalmen oder die Gebete in den Feiern der Sakramente, sondern auch neue Texte in klassischen Formen. Bei den Litaneien etwa ist die »Litanei von der Gegenwart Gottes (557) von Huub Oosterhuis auffällig gut platziert. Für die Andachten (672–684) ist ein Modulsystem zu 32 Themen entworfen. Die einzelnen Andachten können unterschiedlich lang gestaltet werden. Zum Thema »Engel« (676,5) heißt ein kleiner Abschnitt in dem Wechselgebet: »(V) Ihr Engel, Verkünder der Botschaft des Herrn, (A) macht unser Herz bereit. (V) Damit wir das Wort Gottes mit einem hörenden Herzen verstehen, damit wir es wagen, uns auf unseren Glauben einzulassen, damit wir voll Freude die Botschaft Gottes in unserem Leben entdecken, (A) macht unser Herz bereit. (V) Damit wir unseren Alltag bewusst gestalten, damit wir das Kleine und Unscheinbare nicht übersehen, damit wir anderen freundlich und offen begegnen, (A) macht unser Herz bereit.«

Hier wird nicht ein Wissen über die Engel vermittelt, sondern es wird ihre dienende Funktion ausgefaltet in dem, was uns Menschen zum Glauben helfen kann. Das Thema »Wiederkunft« (680,9) weckt Bilder, die sich durch nichts wegspülen lassen: »(V) Dann werden die Mächte des Bösen entmachtet und der Tag deines Reiches bricht an. Dann werden die Herren der Welt entwaffnet und deine Herrschaft wird offenbar. Dann werden die Waffen der Lüge vernichtet und der Friede der Wahrheit blüht auf. Dann werden die Schmerzen der Opfer gestillt sein und der Jubel der Befreiten braust auf. Dann werden die Tränen aller Augen getrocknet und die Freude der Erlösten strahlt auf …«

Der rahmende und zwischendrin von allen wiederholte Vers lautet: (V/A) »Herr Jesus Christus, einst wirst du kommen, um alles zu vollenden.« Aus der Perspektive der Opfer wird hier das Gericht angesprochen, nicht als Gruselkabinett, sondern als »Reich der Wahrheit und des Lebens, … der Heiligkeit und der Gnade, … der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens«.

Ausblick: Denken und beten mit dem Herzen, das wir haben

All die für das Gotteslob gesammelten und neu entworfenen Texte lassen nach einer heute angemessenen Gebetssprache fragen, in der sich die Gottesbeziehung ausdrücken kann. Was sich m. E. erkennen lässt, sind folgende Aspekte:

– Es gibt keinen ungebrochenen Rahmen eines christlich-kirchlichen Weltbildes mehr. Zu viel ist durch die Aufklärung geschehen, die »Humanismuskatastrophe« des 20. Jahrhunderts hat gezeigt, was Menschen in dieser Welt anrichten, die irgendwie doch an Gott glaubten. Die entstehenden Rückfragen lassen genauer erkunden, welchem Gott wir glauben und wer die sind und wie sie leben, die diesem Gott glauben. Gott ist kein Ding.
– Beim Durchgang durch das Gotteslob zeigt sich durchgehend: Das Fragmentarische unseres Wissens von Gott wird eingestanden, Subjektivität wird zugelassen. Nicht ein Gedanke oder ein Gefühl, das wir haben sollten, ist Antrieb zum Gebet, sondern das Herz, das wir haben. Damit lässt sich leichter beherzigen, was Karl Rahner in seinem letzten Vortrag vor seinem Tod so eindringlich zur Analogie gesagt hat: »Das Vierte Laterankonzil sagt ausdrücklich, man könne über Gott von der Welt aus, also von jedwedem denkbaren Ausgangspunkt der Erkenntnis aus, nichts an Inhaltlichkeit positiver Art sagen, ohne dabei eine radikale Unangemessenheit dieser positiven Aussage mit der gemeinten Wirklichkeit selbst anzumerken (vgl. DH 806). Aber im praktischen Betrieb der Theologie vergessen wir das immer wieder.«

– Die wenigen Beispiele der Klage im Gotteslob verweisen darauf, dass es neben den Rückfragen an Gott auch ein Sich-Reiben an ihm und eine Auseinandersetzung mit ihm gibt. Biblische Spiritualität bedeutet: alles im Leben mit Gott oder gegen Gott, nichts ohne ihn. Letztlich ist es das, was heute überzeugt. Dafür ein neues Gespür zu entwickeln und dazu Hilfe zu geben, das wäre ein großer Dienst, den das neue Gotteslob erweisen kann. Dann wäre zu erkennen, woraus Christen leben und womit sie sich zu erkennen geben.

Paul Deselaers

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