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Die Schriftleitung
Leseprobe 2
26. Sonntag im Jahreskreis
I. »Klare Kante«? (Mk 9,38–43.45.47–48)

Vorbemerkung: Die Predigt bezieht sich auf die Verse 38–41.

Zielsatz: Es wäre schön, etwas von der menschlich kaum fassbaren Gelassen- heit Jesu zu lernen, wenn wir das gute Tun derer sehen, die »nicht zu uns gehören«.


Erfahrungen bei einem »Konzils«-Abend


Vor einiger Zeit fand in einer Münchener Pfarrei ein Abend zum Thema »50 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil« statt. In der Runde von ca. 20 überwiegend älteren Frauen und Männern wurden Konzilstexte gelesen, erklärt und dann diskutiert. Es waren auch fünf junge Leute gekommen, die in der Pfarrei niemand kannte. Während der Erklärungen machten sie sich heftig Notizen und eröffneten in der Diskussion dem Referenten, dass er von der Lehre der Kirche nichts begriffen und überhaupt für ein »Christentum light« plädiert hätte. Generell vermissten die jungen Leute (es waren Abgesandte aus der Pius- Bruderschaft) bei den »Konziliaristen« die klare Kante und das eindeutige Zeugnis für die katholische Wahrheit.

Klare Kante, eindeutiges Zeugnis, Flagge zeigen und katholische Identität sind die Begriffe, mit denen viele heutzutage – vor allem solche, die das Zweite Vatikanische Konzil inzwischen nur noch aus der Historikerperspektive betrachten und beurteilen – Kirche und Christentum Zukunft geben wollen. Sich der Welt angeglichen zu haben und den Heilswillen Gottes in allen Konfessionen und Religionen am Werk zu sehen, gehören zu den entscheidenden Vorwürfen, denen die Konzils-Vertreter ausgesetzt sind. Massiver sind die Formulierungen derer, die in der Kirche des Zweiten Vatikanischen Konzils überall Säkularismus, Liberalismus und Demokratismus wittern.

Ist das Evangelium wirklich so missverständlich?

Dieser Konzilsabend kam mir in den Sinn, als ich das heutige Evangelium mal wieder betrachtete. Da hatten die Jünger tatsächlich jemanden erwischt, der im Namen Jesu Dämonen austrieb. Sie suchten ihn daran zu hindern, »weil er uns nicht folgt«. Wie wohl die meisten der durchschnittlich frommen Christen dachten auch die Jünger damals, dass im Namen Jesu nur jemand auftreten darf, der nachgewiesenermaßen »dazugehört«. Es kann doch nicht sein, dass ein Fremder, ein Außenstehender, vielleicht ein Humanist oder gar ein Atheist im Sinne des Evangeliums Gutes tut. Und weil das nicht sein darf, muss es unterbunden werden – schon um der Ordnung und »der Klarheit des Zeug- nisses« willen. Heutzutage würde uns sogar das staatliche Gesetz zu Hilfe kommen, denn wir könnten einen solchen Menschen wegen Amtsanmaßung juristisch belangen. Wer nicht die kirchliche Missio oder Beauftragung nach- weisen kann, darf nicht in Jesu Namen handeln – so ist unsere Meinung, so dachten auch die Jünger Jesu.

Und Jesus? – »Hindert ihn nicht!«

Und wie schon so häufig erlebten die Jünger durch Jesus die entscheidende Korrektur. Jesus kümmerte sich einfach nicht um das Argument der Jünger »weil er uns nicht folgt«. Ihm kam es auf das an, was der Mann Heilvolles tat: Dämonen austreiben. So wies er die Jünger mit den Worten zurecht: »Hindert ihn nicht! Keiner, der in meinem Namen Wunder tut, kann so leicht schlecht von mir reden. Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns« (Mk 9,39f ). Die Jünger hatten nicht begriffen, dass sie keinen Alleinvertretungsanspruch in Sachen Dämonenaustreibung hatten; dass die Zugehörigkeit zu Jesus nicht vom Urteil der Jünger abhängt, sondern einzig und allein davon, was im Namen Jesu »geschieht«.

Vielleicht haben auch wir noch nicht genügend das Wort Jesu »Wer nicht gegen uns ist, der ist für uns« begriffen. Zugegeben: ein ziemlich undeutliches und unscharfes Kriterium. Aber für mich ist das ein sehr wohltuendes Wort, weil es nicht ausgrenzt, weil es keine Barrikaden errichtet, weil es das Tor zur Toleranz öffnet und weil das Bekenntnis zum wahren Glauben nicht die Zulassungs- bedingung für die Zugehörigkeit zu Jesus ist. Vor allem zeigt sich mir in diesem Wort Jesu abenteuerlich unerschütterliches Selbstbewusstsein von seiner Sendung. Hierin sehe ich die Göttlichkeit Jesu aufblitzen, denn im Grunde übersteigt es die menschliche Vorstellung, dass derjenige bereits zu mir gehört, wenn ich ihn nicht zum Gegner habe.

Wünsche an die Leute mit der »klaren Kante«

Nun kommen mir die jungen Frauen und Männer von dem Konzilsabend wieder in den Sinn. Was will ich ihnen und uns sagen?

Ich wünsche ihnen – und uns – etwas von der atemberaubenden Gelassenheit Jesu, als die Jünger den Fremden am Gutes-Tun hindern wollten. Ich wünsche ihnen – und uns – den aufrechten Gang des freien Christenmenschen, der nicht ängstlich nur auf das Geländer schaut, wenn er über die Brücke zu anderen Menschen geht.

Ich wünsche ihnen – und uns – etwas von dem Mut des seligen Papstes Johannes XXIII., der angstfrei auf die Menschen anderer Konfessionen und Religionen zuging, weil er »nichts von alledem (ablehnte), was in diesen Religionen wahr und heilig ist« (Nostra aetate 2).

Ich wünsche ihnen – und uns – die Überwindung der Angst vor der Freiheit, zu der Christus uns berufen hat (Gal 5,1). Die Befreiung aus Unterdrückung und Sklaverei war die religiöse Urerfahrung Israels. Juden und Christen wird sie jedes Jahr an Pessach und Ostern in Erinnerung gerufen und als gegenwärtig gefeiert.

Möge die christliche »klare Kante« gerade nicht in der Abwehr der anderen und der Welt bestehen, sondern in der liebenden Zuwendung zu ihnen. Denn »Die Freude und Hoffnung, die Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi« (Gaudium et spes 1).

Möge in uns allen die Einsicht Karl Rahners wachsen, dass »alles Kirchliche … aller Betrieb … und also auch alle Reform letztlich bloße Hilfestellung (ist) für etwas ganz anderes, etwas ganz Einfaches und so gerade unbegreiflich Schweres und Seliges zumal: für Glaube, Hoffnung und Liebe in den Herzen aller Menschen« (Das Konzil – ein neuer Beginn, Freiburg 2012).

Davon hatte der fremde Wundertäter im Evangelium offenbar etwas begriffen.

Hubert Brosseder

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