archivierte Ausgabe 3/2010 |
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Die Schriftleitung |
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Leseprobe 2 |
Dreifaltigkeitssonntag | 30. Mai 2010 |
IV. Lesepredigt: Nicht nur eine Person (thematisch) |
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Man trägt wieder Religion, in den Kreisen, die den gesellschaftlichen Mainstream repräsentieren wollen; bei den Prominenten, die gesellschaftlich oder wissenschaftlich etwas gelten und deren Meinungen von den Medien verbreitet werden. Die weltbekannte Zoologin Jane Goodall hat in Münster zur Eröffnung eines Instituts für Theologische Zoologie gesprochen und hatte sich deshalb im Interview mit der zuständigen Regionalzeitung mit der Frage auseinanderzusetzen, ob sie »persönlich« an einen Gott glaube. Die wenig überraschende Antwort: »Ich glaube an eine große spirituelle Kraft, die verschiedene Namen haben kann, je nachdem welcher Religion wir angehören.« Der Titelheld in Heinrich Bölls Dr. Murkes Gesammeltes Schweigen war da noch deutlicher präziser: »Jenes höhere Wesen, das wir verehren«, war seine Kompromissformulierung, mit der er unter den gestrengen Augen der Feuilletonredaktion, die keine religiöse Parteilichkeit durchgehen ließ, sein Anliegen in die öffentlich-rechtliche Sprache übersetzte. Bitte nicht zu konkret; bitte nicht naiv voraufgeklärt; bitte so allgemein akzeptabel, dass nicht nur die Muslime, sondern auch die große Zahl der spirituell Interessierten sich irgendwie angesprochen fühlen. Und vor allem: Bleibt mir mit eurem christlich personal verstandenen Gott vom Leib, mit dieser naiven Menschenförmigkeit der Gottesvorstellung, die sich doch als kindlicher Wunschtraum nach einem schützenden Übervater entlarvt hat. Die »große spirituelle Kraft«, ja, das ist es. Darauf könnten sich fast alle einigen. Und die Dreieinigkeit Gottes? Man hat die hilf losen Versuche der Kapläne bei Kindergottesdiensten in Erinnerung: Drei Kerzendochte brannten zu einer Flamme zusammen. Eindrucksvoll, aber Tempi passati: keiner ernsthaften Erwähnung mehr wert. Auch christliche Medien wie das Publik-Forum legten eine Zeitlang ihren spirituellen Ehrgeiz in eine Kampagne, mit der man den Christen den Glauben an Gottes Dreieinigkeit als vorgestrig, kleinkariert und menschenfeindlich ausreden wollte. Schlechte Zeiten für einen Festtag wie den Dreifaltigkeitssonntag!? Man sollte an diesem Festtag immerhin anerkennen, was hinter vielen Vorbehalten gegen das christliche Gottesverständnis auch steckt: der Verdacht, hier werde von Gott, dem Unendlichen, zu klein und nach Menschenmaß gedacht und geredet, zu endlich. Aber ist nicht gerade der Dreifaltigkeitssonntag dazu da, uns über das allzu Menschliche unserer Gottesvorstellung hinauszuführen?
Gott ist unendlich »mehr« als eine Person, wie sie uns im mitmenschlichen Gegenüber begegnet. Und doch begegnet er als Mitmensch, ja als der in dieser Welt scheiternde, grausam zu Tode gebrachte Jesus von Nazaret. Schwer zu verstehen? So schwer zu verstehen, wie eben die unendliche, zu allem bereite Liebe zu verstehen ist, die Gott selbst ist. Gott ist unendlich mehr als ein endliches Gegenüber in dieser Welt:
– Er umgibt mich mit seinem Wohlwollen. Er (Sie?) hat mich als seine Schöpfung wohlwollend ins Dasein gerufen und geleitet mich mit seinem Wohlwollen. In seinem Wohlwollen wird er mich vollenden: Ich in ihm, dazu berufen, in ihm ganz ich selbst zu werden. Von Gott kann auch – wie die Philosophen sagten – »panentheistisch« geredet werden: »In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir« (Apg 17,28).
– Aber auch: Gott in mir: Zuinnerst steckt er mich mit seinem Wohlwollen an. Innerlicher ist er mir, als ich mir selbst je innerlich sein könnte (Augustinus). Und er will mir befreiend erfahrbar werden, indem er mir mein Innerstes erschließt und zugänglich macht; indem er dort das Feuer brennen lässt, das den Mut und die Entschlossenheit der Hoffnung in mir entzündet.
– Gott aber auch als mein Gegenüber: als das Wort, das mir gesagt ist, damit ich mich ändere und ein Gottesmensch werde; als das Mensch gewordene Wort, die Mensch gewordene Gottes-Herausforderung, der Menschen oft so wenig gewachsen sind, dass sie sie verdrängen, aus der Welt herausdrängen. Gottes Welt- und Menschen-Präsenz, das ist unser herausfordernd einladender Mitmensch Jesus. Er hat Gott in dieser Welt gelebt; noch am Kreuz war er Gottes heilvolle Gegenwart in dieser Welt; Gott, der sich nicht aus der Welt herausdrängen lässt, auch wenn Menschen das Äußerste versuchen und verschulden: die Gottesverdrängung.
Wie kann das sein: Gott so unterschiedlich und doch der Gleiche? Gott so spannungsreich ohnmächtig-allmächtig in seiner Liebe und doch der Gott, der ganz unzweideutig nur dieser Gott der Liebe ist und uns in ihr machtvoll-kreativ vollenden will? Wie kann das sein: personal und überpersonal zugleich; nicht das eine auf Kosten des anderen? Die kirchliche Trinitätslehre versuchte die ersten Schritte, es zu verstehen. Mehr als erste Schritte sind es nicht. Aber sie dürfen versucht werden in dem Zutrauen: Gott ist nicht kleiner als das Gotteszutrauen unseres Herzens, das hier seinen Weg sucht, sondern unendlich größer. Gott ist so viel größer als unser Herz und unser Sprechen und unser Denken. Da dürfen Sprechen und Denken ins dankbare Staunen übergehen: Wenn wir unserer Gottesssehnsucht bis in ihre Spitze hinein folgen, größer, weitaus größer noch bist du, der du uns diese Sehnsucht ins Herz gesenkt hast, damit wir uns nach deiner Größe in Sehnsucht, denkend, glaubend, fühlend ausstrecken!
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Jürgen Werbick |
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