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Die Schriftleitung
Leseprobe 1
Vierter Sonntag der Osterzeit | 25. April 2010
I. Ein göttlicher Indikativ (Joh 10,27–30)

Zielsatz: Die Hörerinnen und Hörer sollen die neutestamentlichen Worte Jesu als bedingungslosen Zuspruch an den Menschen verstehen und daraus einen zentralen Aspekt christlicher Nachfolge ableiten.

Sätze aus dem Leben

L1: Ich werde dich lieben mein Leben lang. – L2: Ich versuche dich zu lieben, solange ich lebe.
L1: Wir sind bei dir, hab keine Angst. – L2: Eigentlich brauchst du keine Angst zu haben, denn höchstwahrscheinlich sind wir da.
L1: Ich stehe hinter dir, egal was kommt. – L2: Ich könnte dir helfen, es kommt allerdings darauf an ...
L1: Das verspreche ich dir, verlass’ dich drauf. – L2: Ich versuche mein Möglichstes, kann dir aber nichts versprechen.
L1: Ich stehe dazu, egal was du machst. – L2: Wenn Du das tust, dann nehme ich alles zurück.

Diese Sätze sollten zu Beginn im Wechsel von zwei Personen gelesen werden (möglichst nicht vom Prediger selbst).

Indikativ gegen Konjunktiv
Sätze aus dem Leben, Sätze aus unserem Alltag? Vielleicht gestern erst gesagt oder gedacht? Worum geht es? Sie werden es vielleicht bemerkt haben – nein: Sie haben es bemerkt!
Eine Situation, zwei Menschen und jeweils zwei Alternativen, sich auszudrücken und sich zu verhalten. Indikativ gegen Konjunktiv: Ein »Ich werde« gegen das »Ich versuche« oder »Ich könnte«. Die bedingungslose Zusage: »Ich stehe dazu« gegen die einschränkende Forderung: »Wenn ..., dann ...«.
Wie oft haben wir diese Sätze schon ausgesprochen, gegenüber dem Partner, gegenüber Kindern, Freunden und Arbeitskollegen. Und wie oft hätten wir sie auch anders sagen können ... Das »Wie« hat hierbei große Auswirkungen auf das »Was«. Wie ich es ausdrücke, offenbart zugleich, was, also welche Botschaft ich meinem Gegenüber mit auf den Weg gebe. Nicht zuletzt sagt hier das »Wie« eine ganze Menge über mich selbst und über meine Beziehung zu meinem Gegenüber aus.

Mehr als ein Quantum Trost
»Sie werden niemals zugrunde gehen, und niemand wird sie meiner Hand entreißen. « (Joh 10,28b) – Dies ist der zentrale Satz des heutigen Tagesevangeliums: »Sie werden niemals zugrunde gehen, und niemand wird sie meiner Hand entreißen.«
Eine starke Aussage steckt hinter diesen Worten, denn hierin ist kein Konjunktiv mehr zu hören; kein »vielleicht«, kein »eigentlich« und kein »wahrscheinlich «; kein »es könnte sein, dass ...« und kein »wenn ..., dann ...«. Nein – ganz im Gegenteil: Sie, die Christusnachfolger werden (!) niemals zugrunde gehen, und niemand wird (!) sie aus der Hand Christi entreißen, die zugleich die Hand Gottes ist. Nicht zufällig also sind die Worte Jesu im Indikativ verfasst und eben nicht konjunktivisch oder konditional: Denn ohne jede weitere Bedingung gilt dieses Versprechen. Ohne Einschränkung ist hier von einem tatsächlichen Geschehen die Rede, von Wirklichkeit und Wahrheit: »Sie werden niemals zugrunde gehen, und niemand wird sie meiner Hand entreißen.«
Jesu Rede ist in den Worten des Evangelisten direkte Rede an die Menschen, sie ist Anrede und Zuspruch: entgegen allen Kleinglauben der Menschen, entgegen einem konjunktivischen »vielleicht«, entgegen alle Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit. In Anlehnung an einen der letzten Actionfilme des berühmten britischen Geheimdienstagenten muss man sagen: Jesu Worte sind »mehr als ein Quantum Trost«; vielmehr sind sie eine echte Zusage an die zukünftige Wirklichkeit der Menschen, ja eine Zusicherung ihrer persönlichen Zukunft. Aber: Was berechtigt diesen Jesus eigentlich, so zu sprechen?

Der neue Hirte im Konflikt
Zunächst verschafft er sich selbst seine Autorität: »Ich und der Vater sind eins« (Joh 10,30). Jesus Christus ist der Mensch gewordene Gott Israels, der Sohn ist zugleich der Vater, sie sind eins. Mehr Autorität und Vollmacht kann kein Mensch erlangen. Und aus dieser Vollmacht heraus gibt Jesus seine Zusage an die Menschen, die ihm nachfolgen – dies ist sein göttlicher Indikativ.
Zugleich aber begibt sich der Nazarener damit auf »vermintes Gelände«, denn in den Ohren der ihn umgebenden Juden sind seine Worte reine Blasphemie, Gotteslästerung. Verständlich: Denn kein Mensch kann und darf je von sich behaupten, göttlich zu sein. Und umgekehrt offenbart sich Gott niemals in menschlicher Endlichkeit. Der Gott Israels ist und bleibt der unsichtbare, unbegrenzte und unverfügbare Gott, unmöglich in Bilder zu fassen, schon gar nicht in eine einzige menschliche Gestalt. Aus diesem Streitgespräch über die Messianität und Göttlichkeit Jesu ist unser kurzer Evangeliumstext entnommen.
Um seine Kritiker und Gegner von seiner Vollmacht zu überzeugen, verwendet Jesus die damals nicht nur unter Schriftgelehrten gut bekannten Bildworte vom Hirten und seinen Schafen: So wurde bereits Mose als der Hirt der Schafe Gottes gesehen (Jes 63,11), ebenso König David (Ps 78,7), aber auch Gott selbst in Psalm 23: »Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln ...« Jesus greift dieses Bild auf und vollendet es, indem er die jahrtausendealte Tradition erfüllt: »Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe« (Joh 10,11).
Auch das provoziert die damaligen Zuhörer und jüdischen Schriftgelehrten. Genauso wie die Tatsache, dass Jesus im Bildwort nun nur noch von genau den Schafen spricht, die auf seine Stimme hören und ihm folgen. Das richtet sich einerseits gegen die jüdischen Gegner seiner Zeit. Andererseits spüren wir heutigen Hörer an genau dieser Stelle, dass vor fast zweitausend Jahren die frühen Christengemeinden ernsthafte Konf likte mit den jüdischen Gemeinden auszutragen hatten. Es ging um Abgrenzung und Identität; es ging damals um die Profilierung des neuen Christusglaubens im Unterschied zu den bestehenden Traditionen des Judentums. All das findet in den Evangelien, besonders im vorliegenden Johannesevangelium seinen Niederschlag.

Transparent für den Vater
Jesu Herkunft von Gott als Gottes Sohn und seine Einheit mit Gott sind das eine, sagen wir einmal das theologische Argument für seine Messianität. Das andere ist ein eher anthropologisches, menschlich gut nachvollziehbares Argument: Auf die ehrliche und direkte Frage der Juden: »Wie lange noch willst du uns hinhalten? Wenn du der Messias bist, sag es uns offen!« (Joh 10,24) verweist Jesus auf seine Taten und Werke, die er im Namen des Gottes Israels ausführt. Das ist für jede und jeden verständlich und offenbar: Jesus tut das, was Gott will. Und gerade darin wird er transparent für den Vater, transparent und licht für Gottes Gegenwart unter den Menschen. Das macht seine Menschlichkeit zugleich göttlich. Und so kann er auch mit diesem Argument sagen: »Der Vater ist in mir und ich bin im Vater« oder »Ich und der Vater sind eins«.

Christ sein heißt: Zum göttlichen Indikativ werden
»Sie werden niemals zugrunde gehen, und niemand wird sie meiner Hand entreißen. « Die Zusage Jesu an all diejenigen, die ihm nachfolgen, die in seinem Sinne, das heißt in göttlichem Sinne, leben und Mensch sind, diese Zusage heißt auch – jetzt von Ostern her gedacht: Sie alle werden das Ewige Leben haben, sie haben ihren Anteil an der Ewigkeit Gottes, sie sind Anteilnehmer an seiner Erlösung und an seiner Vollendung. Das ist vom Ende her gedacht, vom österlichen Ereignis der Auferstehung. Das Besondere aber für uns Christen ist: Wir haben diese konkrete Hoffnung schon jetzt – eine Hoffnung, die uns selbst leben lässt, heute, tagtäglich. Mit den Worten der zweiten Lesung aus der Offenbarung klingt dies so: »Sie werden keinen Hunger und keinen Durst mehr leiden ... und Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen.« (Offb 7,16f.) Auch Jesus hat aus diesem festen, unerschütterlichen Vertrauen und aus dieser Leben spendenden Hoffnung heraus gelebt. Gerade darin hat er Zeugnis abgelegt für den menschenfreundlichen Gott. Jesus Christus ist der Fleisch gewordene Indikativ Gottes. Er ist Gottes unbedingte Zusage an uns Menschen.
Christ sein und werden heißt deshalb – auch heute noch: Ihm nachfolgen, ein Leben im göttlichen Indikativ führen, in der Welt, in der Gesellschaft, in unserer Stadt, in unseren Familien und Partnerschaften. Ein Leben also, in dem die bedingungslose Zusage Gottes an unsere nahen und fernen Mitmenschen aufscheint, licht wird. Christ sein und werden heißt, Gott Wirklichkeit werden lassen. Christ sein und werden kennt in diesem Sinne kein »vielleicht«, kein »wenn und dann«, kein »mal sehen« – sondern Christ sein und werden heißt: »Ja, ich lebe mit dir!«

Jan Woppowa

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