archivierte Ausgabe 1/2010 |
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Die Schriftleitung |
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Leseprobe 1 |
Fest Erscheinung des Herrn | 06. Januar 2010 |
II. Folge deinem Traum – er ist der Beginn einer neuen Wirklichkeit (Mt 2,1–12) |
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Zielsatz: Die Magier aus dem Osten folgten einem Stern und ihrer Vision von der Erlösung der Menschheit. Ihr Beispiel soll den Gläubigen bewusst machen, dass in Träumen und Visionen der Beginn eines Neuanfangs und einer neuen Wirklichkeit grundgelegt ist.
Träume sind Schäume »Träume sind Schäume« – ein geflügeltes Sprichwort, das uns allen bekannt ist, liebe Schwestern und Brüder. Träume sind Schäume – wir wissen, was mit diesem Sinnspruch gemeint ist: Es gibt Wünsche, die plötzlich nicht in Erfüllung gehen; es kommt einem etwas in die Quere, was nun mal gar nicht ins geplante Konzept passt. Träume sind Schäume – Beispiele hierfür gab und gibt es in der Vergangenheit und in der Gegenwart nur zur Genüge:
- Erinnern wir uns nur einmal an die Wirtschaftsnachrichten des vergangenen Jahres! Der Traum vom schnellen, vor allem mit wenig Einsatz erwirtschafteten, Geld platzte wie eine Seifenblase, sodass eine Tageszeitung titelte: »Die glorreichen Zeiten sind vorbei«. Tatsächlich ist es so, dass es in dieser Wirtschaftskrise nicht nur um ein paar Korrekturen in den Bilanzen gehen darf. - Ein weiteres Beispiel ist der Traum von einem wirklich dauerhaften Frieden im Heiligen Land, in dem Gott sich voll und ganz auf unser Menschsein einließ und einer von uns wurde – was wir ja an diesem Tag erneut in das Zentrum unseres Feierns stellen. Durch fanatische Angriffe unterschiedlicher Gruppen wird diese Vision jedoch immer wieder »zerbombt«. - Weiters blicke ich auf den Traum von der ewigen Liebe auf Erden. Er wird auf die Probe gestellt, denn es gibt gute und schlechte Zeiten, Gesundheit und Krankheit, Leben und Tod.
Biblische Träume und Visionäre Wir brauchen uns nichts vormachen. Dass Träume oftmals wie Seifenblasen platzen, ist nicht nur ein Phänomen unserer Gesellschaft und unserer Zeit. Beispiele hierfür lassen sich in der Heiligen Schrift finden:
- Schauen wir zunächst auf Abraham. Er hätte sich vorgestellt, an der Stelle zu bleiben und alt zu werden, wo er einst wohnte. Gott hatte einen anderen Traum – er sollte Land, Leute und Vaterhaus verlassen, heißt es, denn nur so kann sein Gott ihn zu einem großen Volk zu machen. - Richten wir unsere Blicke auf Jeremia. Er war ein junger Mann, der sicherlich Pläne hatte wie andere Männer seines Alters. Die Ausrede, »Ich bin doch noch so jung« half ihm nichts, denn Gott hatte den Traum, dass seine Nähe und Barmherzigkeit durch diesen großen Propheten den Menschen nahegebracht wird. - Im Neuen Testament hören wir von einem jungen Mädchen namens Maria, das in dem kleinen Nest Nazaret lebte. Gott träumte, dass sie seine Mutter auf Erden wird. - Schließlich ist uns Josef, Marias Verlobter, bekannt, der sicher an eine problemlose Ehe dachte. Gott aber suchte sich diesen »Traum-Mann« aus, Beschützer und Vater der Familie zu sein. Damals wie heute, in der Bibel oder in der Tageszeitung nachzulesen – es scheint doch so zu sein, dass Träume Schäume sind.
Träume sind Leben Vordergründig mag das zutreffen, aber da sind diese Männer aus dem Orient – mágoi spricht sie der Evangelist Matthäus an. Das Verhalten der Männer ist nun wirklich nicht alltäglich, denn sie brechen in eine völlig ungewisse Zukunft auf. Aufgrund widrigster Verkehrsverhältnisse war eine Rückkehr unklar. Ja, diese Männer brechen Brücken und Gewohntes ab, sie lassen Vertrautes und Eingefahrenes zurück. Ob sie Familie, Frau und Kinder hatten, berichtet uns die Heilige Schrift nicht. Auf dem Horizont ihres Lebens sind die Männer einem Stern gefolgt, einer nie weichenden Unruhe, einem Traum, der sie nicht mehr losgelassen hat. Unruhig war ihr Herz! Ich bin mir sicher, dass es auch damals »kluge« Menschen gab, die einen Finger an die Stirn hielten und sagten: »Träume sind Schäume.« Doch an den Magiern wird klar, dass Träume nicht platzen müssen, sondern oftmals lebendig sind. Was wäre die Welt heute ohne Träume und Träumer, ohne Visionen und Visionäre: Die Geschichte Jesu – damit die leibhaftige Geschichte Gottes hier auf Erden – hätte bei Maria und Josef haltgemacht. Viele Erfindungen der Menschheit – z. B. das Fliegen – gäbe es nicht, geschweige denn eine Mondlandung. Zahlreiche Eigenheime wären niemals gebaut worden. Das Wunder des Aufbaus – auch des wirtschaftlichen Aufbaus unter Ludwig Erhardt – nach einem der schrecklichsten Kriege hätte wohl nie gelingen können.
Glaube an die Alltäglichkeit Träume sind Schäume – wenn das nur allzu oft vorkommt, dann hängt das eher an unseren Träumen. Die Magier, träumen nicht in uferlosen Konturen, sondern es sind Träume mit entscheidender Orientierung und Lebensweisung. Hierzu werfen wir einen kurzen Blick auf den Stern. Dieser bleibt nicht über dem Palast von Betlehem stehen, sondern über einem einfachen Haus, schreibt Matthäus. Dort spielt sich auf den ersten Blick eine Szene von enttäuschender Alltäglichkeit ab. Die Männer finden einen Mann und eine Frau, die ganz offenbar einer ärmeren Bevölkerungsschicht angehören müssen. Und sie finden ein Kind, das keine königlichen Insignien an sich trägt. Wie wäre es uns dabei ergangen? Hätten wir bei so einem Erlebnis das Handtuch geworfen und wären unverrichteter Dinge zurückgekehrt? Keiner von uns weiß das. Und ich bin mir sicher, auch die Besucher aus dem Orient wussten es nicht gleich, aber sie hatten Vertrauen. Aus diesem Grunde kehren sie nicht um, sondern bleiben, »blicken hinter die Fassade« und begreifen, dass sie am Ziel ihrer Wünsche und Träume sind.
Die Wandlung wollen Ein paar Männer wollten damals die Wandlung und trauten diese einem kleinen Kind zu. Es ist für mich als Priester immer wieder schön, wenn ich zu Taufgesprächen gehe und dabei feststellen kann, wie ein neugeborenes Kind die ganze Familie verzaubern bzw. verwandeln kann. »Wolle die Wandlung«, so sagte es einmal der Dichter Rainer Maria Rilke in einem seiner Gedichte. Wolle die Wandlung – alles, was Wandlung bewirkte, ist zuvor geträumt worden, Ich denke da zum Beispiel an den amerikanischen Bürgerrechtler Martin Luther King, der vor mehr als 40 Jahren einen Traum hatte. In dem farbigen US-Präsidenten Barack Obama ist sein Traum mehr als in Erfüllung gegangen. Wolle die Wandlung – das war es, was die Magier antrieb. Die alten Träume von Erlösung der Menschen und Frieden auf Erden, wie sie uns der Prophet Jesaja in eindruckvollen Bildern in der ersten Lesung schildert sollten in Erfüllung gehen. Wolle die Wandlung – das ist wohl auch das Gebot der Stunde: - Wir sollen träumen, dass die Wirtschaft und wir mit ihr sich wandeln müssen, bevor es wieder aufwärts geht. Die Gier nach dem ständigen Mehr wird uns nicht weiterbringen. - Wir sollen Träumen, nicht alles den öffentlichen Kassen zu überlassen. Der liebe Gott hat uns allen einen Verstand gegeben und mit Händen und Füßen ausgestattet, um mitzuarbeiten an einer gerechten Welt, in der das Licht Christi aufstrahlt. - Und schließlich sollen wir träumen, dass Gott in erster Linie in den alltäglichen Dingen des Lebens zu suchen ist; denn dort ist er zu finden.
Der Beginn einer neuen Wirklichkeit Liebe Schwestern und Brüder, das heutige Fest lädt uns dazu ein, dass wir uns nicht zu jenen zählen sollten, die ihr Leben verträumen, sondern zu denen, die ihre Träume leben. Träumen wir also mit den Magiern! An ihnen können wir lernen, dass wir uns nicht arm nennen müssen, wenn der ein oder andere Traum nicht in Erfüllung geht. Arm wären wir dann, wenn wir unsere Träume nie geträumt hätten, denn sie sind der Beginn einer neuen Wirklichkeit.
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Markus Moderegger |
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