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Leseprobe 1
Vierter Adventssonntag – 23. Dezember 2007
II. »Traum-Mann« Josef (Mt 1,18–24)

Zielsatz: Die Hörerinnen und Hörer sollen ermuntert werden, den Traum des Josef auch heute weiter zu träumen.


Nicht nur die Kinder
So nahe wie der Vierte Advent und der Heilige Abend in diesem Jahr beieinander liegen, ist die Versuchung groß, sich aus dem Advent »hinaus zu stehlen«. Da geht es nicht nur den Kindern so, die seit Wochen mit dem Adventskalender leben. Mit manchem süßen Trost zählen sie die Tage. Und schließlich kommen jetzt die Fragen der Kleinen immer häufiger, wie lange sie noch schlafen müssen, bis das Christkind endlich kommt.

 

»Nur noch einmal schlafen …«
Auch für uns Erwachsene ist es nicht leicht, die Grenze zwischen der Zeit der Erwartung und der Zeit der Erfüllung zu ziehen. Denn wie viel gibt es vor Weihnachten zu erledigen. Und wie gerne möchte man schließlich auch mit Kollegen, Freundinnen oder anderen lieben Menschen in »vor-weihnachtlicher« Stimmung beisammen sein. Wie zu keiner anderen Zeit im Jahr ist die Sehnsucht nach Stille, Ruhe und Zu-sich-selber-Finden so groß wie in den Tagen des Advent. Selten wird so viel Wert auf Gefühl, Familie und Gemeinschaft gelegt. Daran ändert auch der viel beklagte Weihnachtsstress nichts. Dieser macht nur umso deutlicher: Wie groß der Wunsch nach der schmerzlich vermissten Innerlichkeit ist.
Das zeigt, wie mächtig der Traum von einer Welt in Harmonie auch heutzutage noch ist, obwohl Weihnachten für immer weniger Menschen mit dem Christus-Kind zu tun hat. Und es wird deutlich, welche Bedeutung die Stille in unserer lauten Zeit eigentlich hätte, um mit den tieferen Schichten des Lebens in Berührung zu kommen.

Fast-schon-nicht-mehr-erwarten-können
Das Evangelium des heutigen Vierten Adventssonntags nimmt uns in die Spannung des »Fast-schon-nicht-mehr-erwarten-Könnens« hinein. Es tut das aber nicht so idyllisch, wie wir das aus den Schaufenstern oder auch aus der Weihnachtsgeschichte des Lukas-Evangelisten kennen. Die Schilderung des Evangelisten Matthäus ist so anders, als wir sie vielleicht gerne hätten. Nüchtern und im Stil eines Berichterstatters stellt Matthäus dar, was der Geburt Jesu vorausgeht. Und im Mittelpunkt steht nicht Maria, sondern Josef, der Traum-Mann! Er ist bei Matthäus der Empfänger der Offenbarung Gottes. Josef erhält, wie es der jüdischen Sitte entspricht, als Mann das Recht zur Namensgebung. Er soll das Kind seiner Verlobten, dessen leiblicher Vater er nicht einmal ist, Jesus nennen.

»Advent turbulent«
Für Josef ist die Zeit vor der Geburt Jesu keine beschauliche Veranstaltung gewesen, kein Adventsingen und kein Christkindlmarkt. Die Krisen und Konflikte, die die Schwangerschaft seiner Verlobten für ihn mit sich gebracht haben, lassen sich erahnen. Die Verlobung war damals ja noch viel mehr als heute die verbindliche Bekundung des Ehewillens. Deshalb war diese Schwangerschaft in der Verlobungszeit für jeden Außenstehenden eine Schande. Josef hätte die Verlobung sofort lösen und Maria den Scheidebrief ausstellen können. Zwischen den Zeilen können wir das Spannungsfeld herauslesen, in dem sich Josef befunden hat: »Noch bevor sie zusammengekommen waren …« – Wer ist wohl der Vater dieses Kindes? Maria war doch mit ihm verlobt …? Er kann nicht glauben, dass ihm Maria untreu geworden wäre. Er verdächtigt Maria nicht und will sie deshalb auch nicht bloß stellen.
Alle diese Fragen und Überlegungen deuten darauf hin: Das war für Josef keine gefühlsselige Vor-Weihnachtszeit: es war »Advent turbulent«, ein Hin-und-her-gerissen-Sein zwischen der Frau, die er liebte, und den Regelungen des Buches Deuteronomium über den Ehebruch, die er als Jude natürlich kannte. Es war »Advent turbulent« für Josef, der es trotzdem schafft, Zeit zum Nachdenken zu finden.

Gebündelte Hoffnungen
Es muss eine verzweifelte Situation gewesen sein, in die hinein der Traum trifft, der in allen Turbulenzen eine unglaubliche Klarheit schafft. Und es ist der Name, den Josef dem Kind seiner Verlobten geben soll. Der räumt bei ihm jeden Zweifel aus dem Weg: »Jesus« soll dieses Kind heißen. Jesus – Gott rettet. Für einen Orientalen zu dieser Zeit war der Name Jesu Programm: Gott hat sich nicht aus dieser Welt verabschiedet, er ist mit uns auf dem Weg wie zur Zeit der Väter. Der Traum des Josef ist der Traum seit Generationen von Menschen gewesen. Im Namen Jesu bündeln sich alle Hoffnungen, die das Volk Israel seit den Anfängen begleitet. Und so versäumt es der Matthäus-Evangelist auch nicht, den Traum des Josef mit einem Zitat aus dem Propheten Jesaja zu untermauern. Josef erweist sich nach seinem Erwachen als der »Traum-Mann«, der Maria zu sich nimmt und fortan an ihrer Seite bleibt.

Traum-Mann Josef
Am Ende dieses Advents, der auch für die meisten von uns »Advent turbulent« war, ist es der Traum des Josef, der mich zum Nachdenken bringt. Freilich habe ich auch über die stressige Zeit im Advent gemurrt. Sicher hab ich mich auch über das Gerede von der »staaden Zeit« lustig gemacht. Und doch ist es der Traum des Josef, der noch immer nicht zu Ende geträumt ist. Er war es damals nicht und auch wir Heutigen dürfen, müssen, sollen diesen Traum weiterträumen. Gerade dann, wenn der Advent turbulent ist.

Gott kommt
Gott rettet, er schickt uns seinen Sohn. Gott ist längst mit uns, auch wenn wir noch nicht mit ihm zu sein scheinen: Weil die Zeit wieder mal zu kurz war, weil die Vorbereitungen noch nicht abgeschlossen sind. Er kommt uns in unseren unvollständigen Vorbereitungen entgegen, in unserem unvollkommenen Bemühen um Frieden, Verständigung und Zuwendung. Er kommt in unsere unerlöste Welt, in der die Zeitungen immer noch von Krieg und Gewalt voll sind.
Hören wir nicht auf, den Traum des Josef zu träumen: Gott selber wird kommen, er zögert nicht (vgl. GL 115,4).


Ulrich Reitinger

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