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Die Schriftleitung
Leseprobe 1
Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria
Das Drama vom menschlichen Menschen – Warum Maria das Casting gewinnt (Gen 3,9–15.20; Lk 1,26–38)

Die Rolle der Maria besetzen


Manche stellen sich in diesen Tagen die Frage, mit wem sie die Rolle der Maria im Krippenspiel besetzen sollen. Wer war die Mutter Jesu? Wer ist ihr gleich? Muss sie vor allem schön und lieblich sein, blass und kindlich? Und der Charakter? In dem amerikanischen Büchlein: »Hilfe, die Herdmanns kommen« wird zum ersten Mal nach Jahren nicht die Pfarrerstochter die Rolle der Maria spielen. Ihr schönes und harmloses Aussehen bei leider zickigem Wesen war ohnehin keine besondere Empfehlung gewesen. An ihre Stelle tritt Eugenia Herdmann, Anführerin und Älteste von wenig erzogenen, klauenden und rauchenden Geschwistern, die das Krippenspiel nun auf eigene Weise interpretieren, mit Drohungen gegen Herodes und dieser kampfbereiten und zum Säugling Jesus ausgesprochen liebevollen Mutter Jesu.

Es ist nur ein Krippenspiel, es geht um eine nachträgliche Besetzung, die dann eher mehr als weniger gelungen ist. Eugenia macht es besser als die Pfarrerstochter.

Gott inszeniert, besetzt neu und ersetzt das alte Spiel

Damals war es kein Spiel und die Besetzung nicht menschliches Erfinden. Gott ist der Regisseur. Er findet sie, Maria. Davon handelt das Fest des heutigen Tages, von ihr, der neuen Eva. Und so lässt sich fragen, wer eigentlich die alte Eva war. Sonst lässt sich die neue nicht begreifen.

Eva und Adam. Alles in diesem Garten war ihres. Eines nicht. Das mussten sie auch noch haben. In ihnen lebte die Angst, zu kurz zu kommen. Die Freundschaft mit Gott erhält einen Bruch, weil die Schlange ihnen einredet: Gott enthält euch etwas vor. Er will doch nicht euer Glück. Aus dem Misstrauen gebiert sich der Aufruhr gegen ihn, die Sünde, die Sonderung. Und sofort kommt daraus eine andere Spaltung, die gegenseitigen Schuldzuweisungen: Eva hat zuerst … Adam hat doch auch … Die Schlange hat doch … Uraltes Theater, das sich in uns allen mehr oder weniger oft wiederaufführt. Und nun wird jeder zum Konkurrenten des anderen. Mann gegen Frau, Mensch gegen Schöpfung, Mensch gegen Gott. Das ist doch nur zu menschlich, der Versuchung nachzugeben, einander die Schuld zu geben, sich zu verstecken, die Natur zu beherrschen und auszunehmen. Harmlos ist das nicht. Allzu menschlich ist nahe am Unmenschlichen. So ist der Mensch, das erbt er, das wird sein Nachlass an die kommende Generation …

»Bitte um Nachlass«


»Bitte um Nachlass« heißt ein Gedicht von Peter Maiwald.

Bevor ich aus der Welt verschwind,
wem soll ich überlassen
mein Wolfsgebiß, mein Mörderherz,
die Diebeshand, das Hassen.
Mein Jammertal, mein Zorngebirg,
das Mundhand-Handmund-Leben,
den Trauerkloß, an dem ich würg,
das unselige Geben;
mein Winkelglück,
mein Unbehaust,
das Haste-Biste-Haben,
der Mensch, dem vor dem Menschen graust:
Kein Kind will meine Gaben.

Peter Maiwald, Bitte um Nachlass, aus: Hanna-Barbara Gerl: Maria und die Situation des Glaubens in Deutschland, © Patris Verlag 1990, S. 30f.

Der Mensch bei Peter Maiwald in dieser ungeschminkten Vertrautheit mit dem Bösen in Gedanken, Worten und Werken: uraltes Erbe. Die Schlange hatte gesagt: Ihr werdet Gut und Böse erkennen. Und erkennen meint vertrauten Umgang haben. So kommt es dann ja auch. Muss man auch vertrauten Umgang mit dem Bösen haben, um Mensch zu sein? Muss ich manchmal Böses tun, damit ich noch echt bin, damit ich nicht abhebe, damit ich noch so richtig Mensch bin und weiß wovon ich spreche?

Nur wer selber Drogen nimmt weiß, wie gefährlich sie sind! Nur wer sich ein bisschen verkauft weiß, wie viel er wert ist …! Das sind Gedanken und Taten. Ist das wirklich so, dass wir uns erst kennen, wenn die Grenze überschritten ist und das geahnte Unglück auch entstanden ist? Hat der Mensch gegen seine Versuchungen eine echte Chance?

In Maria ist etwas anderes gefunden. Dem Menschen sind – in der Freundschaft mit Gott – andere Dinge möglich.

Sie ist nicht einfach die alte Eva, nur jünger, mit der Gott die Rolle der Erzieherin und Mutter besetzt.

Neubesetzung: nicht Eva

Die Kirche gibt über das Dogma die Formulierung einer jahrhundertealten Hoffnung und neuen Möglichkeit: Maria ist nicht Eva, die Mutter alles Menschlichen und allzu Menschlichen.

Wie muss sie selbst gewesen sein, die sie ja nicht nur Jesus geboren, sondern auch erzogen hat? Bei Josef ließe sich ähnlich fragen, aber er steht nicht im Mittelpunkt dieses Festes.

Maria ist von Jesus her anzuschauen. Eine neidische junge Frau, unglücklich wegen Ihrer Armut, die den Nachbarn nichts Gutes gönnte? Eine ungnädige Ehefrau, die Josef seine Fehler nicht verzeihen wollte? Eine ängstliche um ihren guten Ruf besorgte, die aber selbst gern schlecht über andere sprach?

Maria – heutig -, im Alkohol betäubt wegen der Verletzungen ihres Lebens? Denkbar angesichts dessen, was ihr geschieht. Aber sie findet einen anderen Weg.

Maria als Chefin und erste Frau im Jüngerclan. Denkbar, dass ihr diese Position zu Kopf gestiegen wäre. Aber davon hören wir nichts.

Neubesetzung: nicht Engel

Wir können das noch einmal abgrenzen. Maria ist auch kein Übermensch, nicht Engel, nicht Gott, nicht die Superwoman der Bibel.

Das Evangelium erzählt uns, dass sie dem Sohn folgt – auch im Verstehen nachzukommen versucht. Sie weiß nicht alles besser, sie ist nicht unverwundbar, sie ist nicht unangreifbar. Das hat sie uns nicht voraus.

Neubesetzung: Du und ich


Maria erlebt Glück und Unglück wie wir, sie flieht aber unter dem Druck des Lebens nicht in die Sackgassen der Sünde. Das könnte sie uns voraus haben, aber nicht trennend. Denn wir wünschen es uns ja selbst für uns. Wir sind nicht nur Eva. Maria ist unsere bessere Möglichkeit.

Nach allen Zeugnissen des Evangeliums erscheint sie als Lernende oder Mittragende, als Leidende oder die, die den Kreis der Jünger im Stillen zusammenhält. Es mag Versuchungen in ihrem Leben gegeben haben, aber sie verläuft sich nicht in diese Sackgassen. Leid und Freude gehen durch sie hindurch, ohne sie stolz oder bitter zu machen.

Es geht um diese Fähigkeit, Mensch zu bleiben, wenn andere unmenschlich mit dir verfahren, Mensch zu bleiben, wenn anderes dir nahelegt abzuheben und über die Verhältnisse zu leben. Diese Fähigkeit kommt nicht aus dem Willen, sie ist auch nicht angeboren. Sie kommt aus der Freundschaft mit Gott. Er befähigt dazu. Wir nennen es und erleben es als Gnade.

Das unverdorbene Konzept – conceptio immaculata

An Maria hat die Kirche das unverdorbene Konzept des Menschen gesehen. Ida Friedericke Görres hat so die conceptio immaculata, unbefleckte Empfängnis übersetzt: das unverdorbene Konzept des Menschen, den wirklich menschlichen Menschen.

An Maria ist zu finden, was wir in uns selbst tragen:

die Sehnsucht, Glück und Unglück, Auf und Ab des Lebens erleben ohne dadurch stolz und bitter zu werden, überheblich oder deprimiert;

klar und heiter bleiben, gelassen leben, gütig sein; alles geben und doch noch mehr: alles von Gott erwarten;

sich geliebt wissen, aber nicht mehr als andere;

weniger richten, mehr ordnen und heilen;

nicht mit dem Leben abschließen, solange Gott noch einen Anfang setzt;

sich ganz um Gottes Reich sorgen und wissen, er tut das gleiche für mich; …

Maria ist uns darin voraus – von Anfang an, aber nicht enteilt. Sie hat aus einer Gnade heraus gelebt, die uns nicht fremd sein muss. Sie kommt auf uns zu und in uns an, weiß der Advent. Auch hier behält Maria nichts für sich, was nicht auch unser werden könnte. Manchmal leben wir schon in dieser Gnade. Dann besetzt der göttliche Regisseur die Rolle der Maria mit uns. Denn das Konzept ist gut und das Unverdorbene ist uns nicht fremd.

Thomas Hürten

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