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| Leseprobe 2 |
| Erscheinung des Herrn |
| I. Heiden als Gottsucher |
| (Eph 3,2–3a.5–6; Mt 2,1–12) |
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Wir feiern heute das Fest der Erscheinung des Herrn, den Dreikönigstag. Das Fest ist sozusagen ein zweites Weihnachtsfest. Es hat den gleichen Inhalt wie Weihnachten, es setzt aber einen anderen Akzent als der Weihnachtstag. Der erinnert uns daran, dass Hirten das Kind in der Krippe als ihren Messias, ihren Heiland erkannt und anerkannt haben und ihm huldigten. Die Hirten stehen nicht nur für die sozial Armen und Verachteten, sondern sind auch Vertreter des Volkes Israel. Der Tag der Erscheinung des Herrn macht offenbar, dass die Geburt Jesu ein Ereignis für die ganze Welt ist. Die Sterndeuter und Sternsucher aus dem Morgenland repräsentieren die Menschheit außerhalb Israels. Das Wort der Engel an die Hirten auf den Feldern Bethlehems »Heute ist euch der Heiland geboren« gilt nicht nur Israel, sondern auch Heiden, Menschen aus anderen Völkern. Jesus ist nicht nur der Retter Israels, sondern der Heiland der ganzen Welt, das Licht, das jeden Menschen erleuchtet.
Die Heiden als »Miterben«
Dass Heiden einen Zugang zu Gott finden, davon spricht nicht nur Matthäus im heutigen Evangelium, sondern auch der Apostel Paulus in seinen Briefen. Er verstand seine Berufung zum Apostel als Auftrag, das Evangelium Jesu Christi speziell unter den Heiden zu verkünden (vgl. Gal 1,15). Er war zwar nicht der erste und auch nicht der einzige, der Heidenmission betrieben hat. Kein anderer aber hat sie mit solcher Energie forciert wie er; kein anderer hat so klar gesehen: Gott bietet in dem gekreuzigten und auferstandenen Jesus ausnahmslos allen Menschen das Heil an.
Einer seiner Schüler entfaltet in dem Brief an die Epheser ebenfalls dieses »Evangelium«: Alle, auch die Heiden, sind in Jesus Christus berufen, am Heilsgeschehen in ganzer Fülle teilzuhaben. Er präsentiert zunächst die jüdische Sichtweise: Heiden als Nicht-Juden sind ausgeschlossen, sie haben keinen Zugang zu Gott. Ja, es herrscht Feindschaft zwischen ihnen und den Juden. Diese Situation aber hat sich durch Jesus Christus grundlegend geändert: Er ist der »Friedensfürst« (vgl. Jes 9,5). Er stiftet Frieden, indem er die Menschen mit Gott versöhnt, mit sich selbst und mit den anderen. Gott kommt nicht nur den Juden nahe, sondern auch den Heiden: Er sucht ihre Nähe, um sie zu retten. Er hebt im Zuge dieser Friedensaktion auf, was »einst« die Juden und die Heiden voneinander getrennt hat. Er führt beide zusammen im gemeinsamen Haus des Glaubens.
Diese Versöhnungstat Jesu, so sagt es der Paulusschüler in der heutigen Lesung, ist der Inhalt jenes verborgenen »Geheimnisses«, das jetzt offenbar geworden ist: »dass nämlich die Heiden Miterben sind, zu demselben Leib gehören und mit teilhaben an derselben Verheißung in Christus Jesus durch das Evangelium« (Eph 3,6).
Die Heiden als Gottsucher
Paulus macht auf seinen Missionsreisen eine eigenartige Erfahrung: Er verkündet das Evangelium Jesu »zuerst den Juden«, denn sie sind Erstanwärter des Heils. Er erlebt aber, dass die Juden und ihre politischen und religiösen Führer die christliche Botschaft großenteils ablehnen. Die Heiden aber nehmen sie freudig und bereitwillig auf, obwohl sie heilsgeschichtlich nicht »vorgesehen« waren.
Von einer ganz ähnlichen Erfahrung berichtet der Evangelist Matthäus im heutigen Evangelium: Es sind gerade nicht die eigenen Leute, die sich auf den Weg nach Bethlehem machen, um den neugeborenen König der Juden aufzusuchen und zu verehren. Sie bleiben untätig, obwohl sich direkt vor ihrer Haustüre die alten Verheißungen der Propheten erfüllen. Die Heiden dagegen lassen sich von einem einzigen, zugegebenermaßen hellen Stern wachrütteln. Er veranlasst sie, sich auf einen weiten, strapaziösen und gefahrvollen Weg in ein fremdes Land zu machen. Sie kommen zur Krippe, fallen vor dem Kind nieder und huldigen ihm. Sie bringen in ihren Schatztruhen Geschenke mit. Es sind Huldigungsgeschenke, typisch für das, was ferne Völker geben können. Sie bringen Gold und Weihrauch, wie sie einst die Königin von Saba dem König Salomo gebracht hat, außerdem Myrrhe, ein aus arabischem Harz hergestelltes, wohlriechendes Salböl.
Annahme und Ablehnung
Matthäus bringt mit dem heutigen Evangelium seine Erfahrung zum Ausdruck, dass alles theoretische Wissen, selbst wenn es von Propheten beglaubigt ist, nicht unbedingt zum Glauben führt, dass umgekehrt dem für den Glauben Offenen unsichere, mehrdeutige Zeichen genügen, um sich auf den Weg zu machen. Ja, er kritisiert leise die Haltung seiner jüdischen Landsleute: Sie haben von alldem, was sich in Bethlehem ereignet hat, offenbar nichts gemerkt, obwohl sie aufgrund der in ihren Schriften enthaltenen Hinweise eigentlich als erste die Bedeutung der Geburt und der Gestalt Jesu hätten erkennen müssen. Auch uns Christen wird mit dieser Geschichte ein Spiegel vorgehalten. Sie und ich kennen Menschen, die äußerlich weit weg von der Kirche sind, die aber manchmal mehr Interesse für Jesus empfinden als die eigenen Leute. Sie und ich kennen Menschen, die außerhalb der Kirche – und zur Beschämung der Kirche – manchmal die Zeichen der Zeit besser erkennen als wir Christen.
Jesus, das Kind in der Krippe, ist kein Heiland nur für eine bestimmte Nation, kein Heiland nur für Christen, kein Heiland nur für die eigenen Leute. Nein, er ist der Heiland für alle, die offen, die neugierig sind, die suchen und fragen, die eine tiefe Sehnsucht im Herzen tragen. Er ist der Heiland der ganzen Welt. Das ist die Botschaft des heutigen Festes der Erscheinung des Herrn.
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Peter Seul |
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