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Die Schriftleitung
Leseprobe 1
Allerseelen
II. Nicht vergessen (thematisch)
Zuhause?

Werden wir im Himmel unsere Lieben wiedersehen? Viele unter uns, die sich an Allerheiligen oder Allerseelen auf den Weg zu den Gräbern machen, bewegt diese Frage. Menschen, die eine Nahtod-Erfahrung gemacht haben, berichten davon, dass sie an der Schwelle zum Tod von verstorbenen Angehörigen oder Freunden empfangen wurden. Groß und bei vielen lebendig ist die Sehnsucht, »nachhause« zu kommen, wenn man das irdische Leben verlassen muss, alles Vertraute und Halt Gebende lassen muss. Die Gräber werfen diese Frage auf. Man kann sich kaum vor ihr schützen: Sind die hier »Ruhenden« zuhause? Werden wir uns da wiedersehen? Oder sind sie doch vergangen? Ist ihr Leben zerfallen, wie ihr Leib zu Staub zerfallen ist? Wir werden unser Leben aus der Hand geben müssen. Dürfen wir daran glauben, dass Gott es uns nimmt, weil er es an sich nehmen wird, was auch immer dabei geschehen mag – wie auch immer wir dann bei ihm zuhause sein werden? Dürfen wir daran glauben, dass wir nicht ins Bodenlose fallen werden, sondern in seine Hand, dass er uns aufnimmt, zu sich nimmt, in die Gemeinschaft derer, die uns vorangegangen sind?

Bilder

An den Gräbern holt uns die harte Wirklichkeit des irdischen Daseins und seiner Grenze ein: die Wirklichkeit des Zerfalls und der Verwesung. Der Leib, in dem wir hier »zuhause« sind, wird den Tod nicht überleben. Er hat im Grab, in der Erde, sein Ende, sein »verwesliches« Zuhause. Aber unser Leben ist damit nicht aufgelöst und dem Vergessen preisgegeben; so versuchen wir es zu glauben. Unser Leben fällt in die Erde wie ein Samen. Es wird gesät, ist immer schon gesät worden in die Gemeinschaft der Menschen, mit denen wir leben dürfen: damit es Frucht bringe, Frucht für diese Menschen. Und dann die unverwesliche Frucht des Lebens mit Gott und den mit uns in ihm Vollendeten. Paulus sagt es so: »Was gesät wird, ist verweslich, was auferweckt wird, unverweslich. Was gesät wird, ist armselig, was auferweckt wird, herrlich. Was gesät wird, ist schwach, was auferweckt wird, ist stark.« (1 Kor 15,42–43) Es ist die Berufung des Samens, Frucht zu bringen. In der Natur hat er damit seine Schuldigkeit getan und sein »Leben« vollendet. Als Menschen dürfen wir die schöne Berufung leben, über uns selbst hinaus Frucht zu bringen. Wir dürfen ein Leben leben, das sich mitteilt und austeilt, damit andere leben können. Dass das aber auch die Berufung ist, selbst in »Unverweslichkeit« vollendet zu werden, davon kann uns die Natur keine Vorstellung geben. Das Bild des ausgesäten Samens hält gerade noch eine Ahnung davon bereit, was das sein könnte: wie Jesus selbst als Weizenkorn verweslich ausgesät und zur Unverweslichkeit auferweckt zu werden.

Nicht verloren gehen

Sich nicht verlieren müssen im Ausgesät-Werden, nicht Verloren-Gehen im ewigen Getriebe und Zerrieben-Werden dieser Welt des Sichtbaren, des Vorübergehens und des Vergessens: Das ist die Verheißung, die uns an die Gräber führt – und hier ein Zeugnis gegen das Vergessen und Vergehen ablegen lässt. Unsere Erinnerung mag die guten Erfahrungen wachrufen, die uns mit den verstorbenen Lieben verbinden. Sie kann sie nicht mehr dem Leben in dieser Welt zurückgeben. Aber unsere Erinnerung mag uns die Ahnung mitgeben, dass wir tatsächlich miteinander verbunden sind, weil sie bei Ihm und in Ihm leben; weil Er sie nicht vergessen und verlorengegeben, sondern zu sich genommen hat. Hier und jetzt sind wir der Verweslichkeit und Vergänglichkeit preisgegeben. Auch die Erinnerungen verblassen. Was die lieben Verstorbenen »gesät« haben, mag vielfach Frucht gebracht haben. Aber es ist nun das geworden, wofür die jetzt Lebenden Verantwortung tragen und woraus sie das Ihre machen, um es dann ihrerseits wieder aus der Hand geben zu müssen. Und so fort über die Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg. In Gottes ewigem Jetzt aber sind sie gegenwärtig, geborgen, auf seine Weise lebendig, dem Vergehen und Vergessen entrissen.

Kein Bescheidwissen

Wenn wir uns diesen Glauben an den Gräbern vergegenwärtigen, mag uns nicht verborgen bleiben, dass wir kaum etwas davon wissen oder uns eher nicht vorstellen können, wie das sein, wie es dabei zugehen wird. Das Wiedersehen mit den Lieben, die Hand, in die wir fallen werden, die Frucht, die wir als in die Welt Ausgesäte bringen, die neue »unverwesliche« Lebendigkeit, Gott von Angesicht begegnen dürfen: Wir wissen kaum, wovon wir da reden. Den Theologinnen und Theologen ergeht es auch nicht »besser«. Und doch dürfen wir so reden, wenn wir bereit sind, unsere Vorstellungen von Ihm überholen zu lassen; von dem, der sie in seiner unerschöpflichen Güte mit seiner Gottes-Wirklichkeit unendlich überbieten wird. Auch unsere Sprache, die in ihr gefundenen Bilder und die daran geknüpften Vorstellungen, sind »verweslich«. Dazu unterwegs, mit Unverweslichkeit »überkleidet« zu werden.

Jürgen Werbick

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