Liebe Bezieher*innen der Zeitschrift »Der Prediger und Katechet«,
es gibt viele Themen, die uns alle derzeit intensiv beschäftigen. Zuallererst aber natürlich der unsägliche Krieg in Europa mit all dem menschlichen Leid, welches dadurch verursacht wird. Lesen Sie weiter ...
»Der Prediger und Katechet« ist die älteste und auflagenstärkste Predigtzeitschrift im deutschsprachigen Raum.
Sie bietet homiletisch qualifizierte Hilfen für alle in der Verkündigung Stehenden: Priester, Pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, mit diesem Dienst beauftragte Laien.
Unsere aktuelle Ausgabe 2/2023
mit folgenden Beiträgen:
Wort an die Leser
Martin Rohner
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die gegenwärtige Krise der (katholischen) Kirche hat weitreichende Auswirkungen auch für die Gottesdienstpraxis. Gerade viele, die sich in Liturgie und Verkündigung haupt- oder ehrenamtlich engagieren, stehen oft ratlos vor kaum absehbaren Herausforderungen. Nicht zuletzt mit den Folgen der Corona-Pandemie scheint sich der Abbruch gottesdienstlicher »Selbstverständlichkeit« beschleunigt zu haben. Viele stellen auch an sich selbst fest, wie ihnen eine Praxis, die sie jahrzehntelang getragen hat, fragwürdig geworden ist.
Inmitten zwiespältiger Erfahrungen mit der (eigenen) Gottesdienstpraxis ermutigt mich ein Gedanke aus der Religionssoziologie; dort »wurde der Begriff ›vicarious religion‹, ›stellvertretende Religion‹ entwickelt, um eine wohlwollende Haltung derer, die am Sonntag nicht in die Kirche gehen, zu denen, die stellvertretend für alle den Gottesdienst besuchen, auszudrücken«.1 Eine besondere Weise von »vicarious religion« erfahre ich, wenn ich selbst nicht zur Kirche gehe, aber – fern, doch deutlich vernehmbar – das Läuten der Glocken wahrnehme. Dieses Hören der Glocken ist mir wichtig geworden – durchaus im Sinne einer geistlichen Erfahrung: Ich weiß, dass sich eine Gemeinde versammelt zur Feier der Eucharistie. Und in der Gemeinschaft des Glaubens darf ich auf das Tun der Anderen bauen. Auch wenn ich selbst jetzt nicht mitfeiere, hilft mir diese »Stellvertretung« – und das Hören der Glocken verbindet mich mit diesem Gottesdienst.
Schwangerschaftstest
Zum heutigen Fest gibt es ein interessantes Bild. Es zeigt im Stile klassischer Malerei die Gottesmutter Maria. Sie lehnt sich in die Ecke einer holzgetäfelten Wand. Man erkennt sie schnell an ihrer traditionellen Erscheinung: lange Gewänder, ein blauer Schleier, lange Haare. Überraschend ist die Geste. Eine Hand hält sie vor Überraschung vor den Mund, die Augen dazu weit aufgerissen. Die zweite Hand hält den Auslöser für die Überraschung: einen Schwangerschaftstest – und dieser ist offenbar überraschenderweise positiv. Im Jahr 2011 druckte die anglikanische Gemeinde St. Matthew in Neuseeland dieses Bild auf eine Plakatwand und löste damit Kontroversen aus. Vielen war das Bild zu menschlich oder banal, anderen schlichtweg blasphemisch. Man kann den Ärger nachvollziehen. Ein Engel, eine Botschaft vom Allerhöchsten selbst ist schon deutlich spiritueller als ein Schwangerschaftstest. Trotzdem fangen das skurrile Bild und auch manche unserer Synonyme für »Schwangerschaft« ein, was das Evangelium nur am Rande beschreibt.
Da ist ja einiges los im Evangelium. Gar nicht so einfach zu verstehen. Vielleicht sortieren wir dieses Kommen und Gehen mal ein wenig. Dann verstehen wir leichter, was der Evangelist Johannes hier sagen will. Ich schlage vor, dass wir drei Fragen stellen. Erstens: Was passiert hier wo? Zweitens: Was sagt Jesus? Und drittens: Was versteht die Frau, mit der Jesus spricht?
Zur ersten Frage. Jesus kommt nach Samarien. Mit den Menschen, die dort lebten, den Samariterinnen und Samaritern, wollten die Juden möglichst nichts zu tun haben. Jesus kümmert sich nicht um dieses »Mit-denen-reden-wir-nicht.« Er spricht die Samariterin an – was die Frau sehr erstaunt. Und dass er als Mann eine Frau anspricht, war ebenfalls ziemlich ungewöhnlich – was man an der Reaktion seiner Jünger merkt. Vom Schubladendenken hält Jesus offensichtlich ziemlich wenig. Feindschaft und Vorurteile sind ihm egal. Er spricht mit den Menschen.
Damit sind wir bei der zweiten Frage in unserer Sortierung: Was sagt Jesus eigentlich? Dass die Juden mit den Samaritern nichts zu tun haben wollten, hing damit zusammen, dass die Samariter Gott an einem anderen Ort verehrten als die Juden.