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Die Schriftleitung
Leseprobe 1
Ostern – 8./9./10. April 2012
III. (Am Tag) Auferstehung: Nicht weiter im Gleichen (thematisch)

Zielsatz: Die Zuhörerinnen und Zuhörer sollen in den dunklen Stunden ihres Lebens den österlichen Mut fassen, nicht auf die Erfüllung der eigenen Erwartungen zu hof fen, sondern sich glaubend der neuen Wirklichkeit Gottes anzuvertrauen.


Bestätigte Erwartung?


Wieder sind wir hindurchgeschritten durch die heiligen drei Tage vom Gründonnerstag hinein in die Nacht des Karfreitags. Die Liturgie des Karfreitags entließ uns mit einem Segensgebet über das »Volk, das den Tod deines Sohnes gefeiert hat und die Auferstehung erwartet«. Und nun ist es nach den Nebeln des Karsamstags wieder Ostern geworden. Wir haben die Osternacht durchschritten und sind nun angekommen im hellen Licht des Ostertags. Dieses »wieder« des alljährlichen liturgischen Begehens hat neben seiner den Glauben prägenden und stärkenden Kraft auch etwas verführerisch Illusionäres. In kindlich-naiver Weise heißt diese Vorstellung: Jesus ist am Kreuz gestorben – aber das war gar nicht so schlimm, denn am dritten Tag ist er ja wieder(!) auferstanden. Ostern als Bestätigung einer bestimmten Erwartung? Happy end einer nur vorübergehend tragischen Leidensgeschichte? Die Sprache der Medien – ob in Wort oder Schrift – hat diese Vorstellung schon weitgehend übernommen. Immer öfter ist die Rede davon, dass die Christen an Ostern die »Wiederauferstehung« Jesu feiern würden. Wiederauferstehung – also weiter im Gleichen.

Schrittweise Annäherung an das Unerwartbare


Ganz anders dagegen die Situation der Jünger: »Sie wussten noch nicht aus der Schrift, dass er von den Toten auferstehen musste.« Die Auferstehung lag nicht im Erwartungshorizont der Jünger. Ihnen war keineswegs klar, worauf sie nach der Katastrophe des Karfreitags ihre Erwartung richten sollten und ob es da überhaupt noch irgendetwas zu erwarten gab. Die Ostererzählungen sprechen denn auch eine ziemlich verhaltene Sprache. Nach der Auffindung des leeren Grabes herrschen zunächst Schrecken, Entsetzen (Mk), zumindest Ratlosigkeit und Verwunderung (Joh). Das Evangelium des heutigen Festtages spielt dazu mit einigen Tempiwechseln auf der Schwelle dieses Grabes: erst die Rückkehr der verwirrten Magdalena vom Grab, dann der Lauf der beiden Jünger zum Grab, das Losrennen, Zögern, sich erst einmal nur Vorbeugen, noch nicht Hineingehen – und schließlich doch die Schwelle des Grabes Überschreiten, erst der eine, dann der andere. Nach und nach. Nur zaghaft und schrittweise gelingt das Wahrnehmen der Indizien (Leinenbinden, Schweißtuch) und das sich Einlassen auf die neue Wirklichkeit.

Viel Enttäuschung

Es gibt so viele Enttäuschte in der Welt. Es gibt so viel Enttäuschung in unserem Leben. Jeder kennt sie, die unerfüllten Wünsche, zerbrochenen Hoffnungen, ins Leere gehenden Erwartungen, und die Depression oder die Wut und den Zorn, die uns darüber bisweilen befallen. Wie viele wurden enttäuscht von anderen Menschen, von den Nächsten, und auch von den Freunden (von diesen am allermeisten)! Wie viele sind enttäuscht von einem Leben, das ihnen so viel vorenthält, das Chancen so ungerecht verteilt, das den gerechten Lohn für die Mühen so oft schuldig bleibt. Wie viele sind enttäuscht von der Kirche, die mit hohen Idealen der Lebenswirklichkeit der Menschen nicht nahekommt und selbst nur zögerlich und gequält das eigene Scheitern an den verkündeten Idealen zur Kenntnis nehmen kann. Und wie viele sind enttäuscht von einem Gott, der so fern bleibt, der so wenig unmittelbar erfahrbar wird im eigenen Leben. Und doch leisten wir Menschen uns seltsamerweise immer wieder – wenigstens eine Zeit lang – die Hoffnung, es möge sich doch noch alles zum Ersehnten hin wenden. Und wenn nicht? Die Hoffnung stirbt zuletzt. – Ja, die Hoffnung stirbt zuletzt, das sagt allerdings auch der Zyniker. Aber sie stirbt irgendwann.

Der Glaube des »anderen« Jüngers

Sie stirbt nicht, sagt der Glaube, sondern sie findet ihren festen Haltepunkt in der Auferstehung Jesu. Die aber ist freilich etwas ganz anderes als die Garantie, dass alles so kommt, wie wir es uns wünschen. Das Wort von der Auferstehung heißt nicht: Gott erfüllt – endlich – unsere Wünsche; Gott richtet die Welt – endlich – nach unseren Erwartungen ein. Nein: Gott holt Jesus nicht vom Kreuz. Die Botschaft der Auferstehung heißt vielmehr: Gott handelt jenseits des Erwarteten, Erwartbaren und Erhofften, jenseits des Ersehnten und Erwünschten. Er handelt überraschend, anders, ganz anders. Gott schafft eine neue Wirklichkeit, die so von Menschen nicht auszudenken ist; auch in unseren kühnsten Träumen nicht. »Er sah und glaubte« heißt es vom Glauben des »anderen Jüngers«. Glaube rechnet nicht, mit nichts, auch nicht mit Auferstehung. Glaube lässt den eigenen Erwartungshorizont immer wieder los und setzt sich dem aus, was von Gott entgegenkommt. Glaube bleibt nicht stehen, Glaube geht weiter, immer weiter, und überschreitet so die Schwelle der neuen Wirklichkeit, lässt Gottes Wirken größer sein als die eigenen Vorstellungen.

Begegnung mit der nicht erwarteten Wirklichkeit

Was bedeutet das nun aber für unsere großen und kleinen Hoffnungen in unserem Leben: die Hoffnungen auf Erfolge im Beruf, auf Erfüllung in Liebe und Partnerschaft, auf das Erreichen des einen oder anderen Lebensziels, auf Heilung und Linderung von Krankheit und körperlicher Beeinträchtigung, auf glückliche Wendung in verfahrenen Situationen, auf Neuaufbrüche einer Kirche, die in Gefahr ist, den Anschluss an die Zeitgenossen zu verlieren? Sollen wir diese Hoffnungen am besten gleich alle lassen, weil Gott ja ohnehin ganz anders handelt? – Wir merken, das können wir gar nicht. Sie sind ja eine wesentliche Kraft, die unser Leben antreibt. Durchaus aber kann es bedeuten: Immer wieder innerlich zurücktreten. Uns weniger verbissen, weniger fixiert unseren eigenen Erwartungen ausliefern. Damit gelöster, freier werden – erlöster gar. Raum für Wandlung lassen, für die Wandlung unserer eigenen Welt- und Selbstbilder, unserer Vorstellung vom Leben, wie es zu sein hat. Und so Mut fassen, die Schwelle zu überschreiten – wie die beiden Jünger – zu Begegnung mit der nicht erwarteten Wirklichkeit.

Judith Müller

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