Der Prediger und Katechet – Startseite
Startseite » Archiv » Ausgabe 5/2010 » Leseprobe 2
Titelcover der archivierte Ausgabe 5/2010 – klicken Sie für eine größere Ansicht
Die Schriftleitung
Leseprobe 2
Sechsundzwanzigster Sonntag – 26. September 2010
II. Den Armen nicht zu beachten, kostet das Leben! (Lk 16,19–31)

Zielsatz: Die Predigt appelliert an die Hörerinnen und Hörer, die eigenen Wertmaßstäbe
zu überprüfen, Zivilcourage zu zeigen und sensibel zu bleiben für die oft
unscheinbare Not in der nächsten Umgebung.

Die prinzipielle Empörung und das »Schweigen im Walde«
»Wenn ich damals dabei gewesen wäre in Galiläa, dann hätte ich Jesus geglaubt …«
»Wenn ich etwas zu sagen hätte, dann wären die politischen und kirchlichen Verhältnisse gerechter …«
»Wenn ich die Gelegenheit dazu hätte, dann würde ich dem Chef aber so richtig die Meinung sagen …«
Ja, wenn: Manchmal ergibt sich tatsächlich die Gelegenheit, den Mund aufzutun in einer wichtigen und dringenden Angelegenheit. Es wird zur Stellungnahme herausgefordert im Pfarrgemeinderat oder im Stadtrat, im Kollegium oder in der Konferenz. Erstaunlicherweise geschieht dann nicht selten sehr wenig oder gar nichts. Alle bleiben bei ihren vertrauten Verhaltensweisen und auf der sicheren Seite. Beim Abwägen, ob es sich lohnt, sich weit »aus dem Fenster zu lehnen«, fällt die Entscheidung häufig zugunsten der eigenen Bequemlichkeit. Es stellt sich also die Frage, was eigentlich geschehen muss, damit Menschen mutig ihr Verhalten ändern, den Mund auftun und sich einsetzen für sich und andere!

Erschütterungen – punktuell oder nachhaltig?
Fakten! – sagen die einen; handfeste Beweise und messbare Erfolge, das ist das einzige was zählt und Veränderungen herbeiführt. Die Kosten-Nutzen-Rechnung muss aufgehen, und zwar sofort und für alle sichtbar. Der Einsatz für eine Sache oder andere Menschen muss sich lohnen, und er muss auch denen, die sich einsetzen, umgehend »etwas bringen«. Sicher ist es richtig, dass freiwilliges Engagement zu würdigen ist und nicht wirkungslos verpuffen darf. Denn das ist frustrierend und demotivierend. Dennoch ist festzuhalten, dass der Einsatz für eine Sache (wie z. B. Naturschutz) oder für andere Menschen nicht immer und nicht immer sofort von Erfolg gekrönt ist. Alle Bemühungen in Erziehung und Bildung sind beispielhaft dafür. Es bedarf eines langen Atems, um Entwicklungsprozesse zu begleiten.
Event! – sagen andere; es muss etwas Spektakuläres geschehen, damit Menschen ihr Verhalten ändern. »Nur wenn einer von den Toten aufsteht, werden sie umkehren«, sagt der Reiche im Evangelium. Nur wenn das Unmögliche möglich wird, das gänzlich Unerwartete geschieht, dann werden Menschen so aufgerüttelt, dass sie ihr Verhalten ändern. Aber die Erfahrung lehrt, dass auch nach spektakulären Großveranstaltungen politischer, kirchlicher oder sportlicher Art, nach Naturkatastrophen und Terroranschlägen die Welt sich weiter dreht und die Menschen nach vorübergehender Erschütterung und spontaner Hilfsbereitschaft zum Alltagsgeschäft zurückkehren, ohne dass die Ereignisse weitere Einf lüsse auf ihr Verhalten haben. Auch das Vorbild berühmter Personen zeigt nur bei Einzelnen oder bestimmten Gruppen nachhaltige Wirkung. Glück! – sagen manche. Großes persönliches Glück verändert den Menschen. Lebensentscheidungen zu treffen, den Partner für das Leben zu finden, beruflich erfolgreich und gesund zu sein, die eigenen Kinder aufwachsen zu sehen – all das beeinf lusst in der Tat menschliches Leben und Verhalten und lässt uns dankbar sein. Und dennoch: Das individuelle Glück ist zerbrechlich, und nicht selten scheitern gute Pläne und Vorsätze daran, dass Chancen nicht ergriffen werden und Menschen bei eingeschliffenen Verhaltensweisen bleiben oder dahin zurückkehren.
Dann ist es eben die Not, die beten lehrt und uns zwingt, unser Verhalten zu ändern – auch das ist eine gängige Meinung. Erst wenn Krankheit, Misserfolg, Einsamkeit und Unglück uns treffen, kehren wir um und versuchen, unser Verhalten zu ändern. Abgesehen davon, dass auch akute Notlagen keine bleibende Verhaltensänderung garantieren; wenn sich die Verhältnisse wieder zum Guten wenden, kann es ein bitteres »zu spät« geben. Es kann zu spät sein, einen anderen Weg einzuschlagen und anders mit sich und anderen umzugehen.

Sein Heil »auf normalem Weg« suchen – sittliche Maßstäbe formen die Lebensführung
Es sind offensichtlich nicht die großen Effekte, die haarsträubenden Katastrophen, das Glück auf Wolke sieben oder auch der sichtbare Erfolg, die das menschliche Verhalten nachhaltig verändern. Was ist es dann?
»Sie haben Mose und die Propheten, auf die sollen sie hören«, sagt Abraham im Text des Evangeliums. Das heißt, sie haben sittliche Maßstäbe, die in konkrete Lebensführung übersetzt werden müssen. Sie haben ein »Gesetz«, eine Norm, die zu individuellen Werten führt, wenn sie verinnerlicht wird. Die eigenen Wertmaßstäbe veranlassen den Menschen dazu, im Alltag auf unspektakuläre Art den richtigen Weg und das Heil zu suchen und dabei ein waches Auge für die anderen in seiner Umgebung und ihre Bedürfnisse zu entwickeln und zu behalten. Auch psychologische Untersuchungen bestätigen, dass eine nachhaltige Verhaltensänderung davon abhängt, ob und wie Werte (wie Freundschaft, Gerechtigkeit, Verantwortungsbewusstsein) verinnerlicht und mit anderen im Alltag erprobt werden – auch im Konfliktfall, wenn verschiedene Werte wie z. B. Selbstverwirklichung und Rücksichtnahme kollidieren.
»Religio« bedeutet Rückbindung, religiös zu sein bedeutet festgemacht zu sein am Glauben und an damit verbundenen Werten, die meine Lebensführung bestimmen. Die Frage, welche Maßstäbe in meinem Leben zählen, ist nicht ein für alle Mal zu beantworten. Sie ist immer wieder zu überprüfen und zu vertiefen. Was hat Relevanz in allen erdenklichen Lebenslagen? Und was zählt im Umgang mit den anderen? Es bedarf immer wieder eines sensiblen Umgangs, eines genauen Hinhorchens und Hinschauens bei der Frage, wer in meiner nächsten Umgebung auf Verständnis hofft, sich Annahme wünscht und auf Versöhnung wartet – wer darauf angewiesen ist, dass ich mich auf seine Seite stelle.

Es gilt: Jetzt und hier!
Es ist keine Angelegenheit des spektakulären Auftritts, der krassen Notsituation oder der günstigen Gelegenheit, ob ich mich diesen Fragen stelle und die Herausforderungen annehme, die damit verbunden sind, wie das Evangelium ernsthaft verdeutlicht. Es war nicht das Problem des Reichen, reich zu sein – es war die Tatsache, dass er den Armen nicht oder nicht mehr gesehen hat, der vor seiner Tür lag, die ihn selbst letztlich in eine abgrundtiefe Entfernung zur Geborgenheit in »Abrahams Schoß« brachte. Doch »der Arme« hat einen Namen und Gott kennt ihn. Ihn nicht zu beachten, kostet das Leben.

Carola Fleck

Zurück zur Startseite

pastoral.de


Das bewährte
BasisProgramm
auf CD-ROM


pastoral.de - BasisProgramm

oder

Die
Web-Plattform
im Browser


pastoral.de - Web-Plattform

Vergleichen Sie hier


Der Prediger und Katechet
Telefon: +49 (0) 711 44 06-140 · Fax: +49 (0) 711 44 06-138
Senefelderstraße 12 · D-73760 Ostfildern
Kontakt | AGB | Datenschutz | Impressum