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Die Schriftleitung
Leseprobe 2
Fünfundzwanzigster Sonntag – 21. September 2008
I. Gott bezahlt nicht, Gott beschenkt (Mt 20,1–16a)

Zielsatz: Die Predigt möchte nicht die soziale Errungenschaft des Tarifdenkens infrage stellen, das auf Sicherung des wirtschaftlichen Unterhalts der Arbeitnehmer
bedacht ist. Im Anschluss an das Reich-Gottes Gleichnis will die Predigt allerdings
die Denkweise der Hörer weiten, die (allzu oft) die Lebenswelt bezogene »Do-ut-des-Perspektive« auf Gottes transzendentales Handeln-Sollen überträgt.


»Heuschrecken« – Erfahrungen heute

In den zurückliegenden Jahren haben die Medien ein groteskes Bild für ein fatal neu aufgeflammtes kapitalistisches Verhalten in Umlauf gebracht, das uns schon bei der bloßen Namensnennung – »Heuschrecken« – in Angst und Entsetzen versetzt. Was ist damit gemeint?
Große Firmen schließen sich mit (zumeist Produkt verwandten) Betrieben zusammen, um durch Synergie-Effekte kostengünstiger zu produzieren und auf dem Kapitalmarkt expansive Gewinne zu erzielen. Statt diese Gewinne in den Betrieb zu investieren, um die Arbeitsplätze noch sicherer zu machen und zumindest Anteile des Ertrags an jene Mitarbeiter weiterzugeben, den diese erarbeitet haben, werden diese Gewinne als Dividende an Manager und Aktionäre ausgeschüttet. Mit dem Geld gehen jene Großverdiener an die Börsen der Welt, um durch spekulative Anlagegeschäfte noch einmal den Reichtum zu mehren. Das hierfür verwendete Bild der »Heuschrecke« ist absolut zutreffend; denn wie jene Tierschwärme über alles Lebendige herfallen und es in ihrer Gefräßigkeit vernichten, so vernichten jene habgierigen Manager und Aktionäre viele der ursprünglich stabilen Arbeitsplätze. Abertausende gehen auf diese Weise jedes Jahr in unserem Land verloren. Juristisch gibt es dagegen leider kaum eine Handhabe. Ethisch bleibt solches Verhalten jedoch absolut verwerflich, weil jene »Heuschrecken in Menschengestalt« sich auf Kosten abhängiger und fleißiger Arbeitnehmer bereichern.

»Tagelöhner«-Los damals
Während das »Heuschrecken«-Bild ein Phänomen unserer Industriegesellschaft charakterisiert, weist der Begriff des »Tagelöhners« weit in die Agrargesellschaft zurück. Der »Tagelöhner«-Begriff beschreibt nicht minder fotografisch den Sachverhalt: Die vom Gutsherrn Gedungenen erhalten von ihm selbst oder von seinem eingesetzten Verwalter noch am gleichen Abend den für den Tageseinsatz vereinbarten Lohn ausgezahlt. Diese Praxis ist einerseits korrekt; andererseits bekommen die Tagelöhner keine zusätzlichen Sozialleistungen. Wer also infolge von Krankheit und Alter arbeitsunfähig wird, gerät in große materielle Not. Das uns seit Kindertagen vertraute Märchen »Hänsel und Gretel« spiegelt ohne Beschönigung die bittere Wirklichkeit der früheren Zeitverhältnisse wider.

Jesu »Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg« wirft Fragen auf
Wenn Jesus Gleichnisse vom Himmelreich erzählt, um Gottes andersartiges, großmütiges und Heil schenkendes Handeln zu erschließen, dann taucht er immer zuerst in die Erfahrungswelt seiner Hörer ein. Das den Hörern vertraute Umfeld bildet sozusagen den Schlüssel für die staunenswerte, unbekannte Wirklichkeit Gottes. Und genau diese möchte ihnen Jesus erschließen. Nicht anders verhält es sich im heutigen Evangelium, beim »Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg«.
Das Los der Tagelöhner ist Jesu Hörern wohlbekannt. So erzählt er ihnen, wie der dort die Hauptrolle einnehmende Gutsbesitzer mehrfach zu verschiedenen Stunden des Tages Arbeiter für die Weinlese anheuert. Alle lassen sich auf sein Verdienstangebot von einem Denar ein; denn jener Betrag sicherte für diesen Tag das materielle Auskommen der ganzen Familie. Bei vordergründigem Blick scheint alles stimmig und zu beidseitiger Zufriedenheit geregelt – d. h. am Tag die Arbeitsleistung der Tagelöhner im Weinberg und am Abend die Lohnauszahlung – wenn es nicht die Pointe des Gleichnisses gäbe. Und diese sieht folgendermaßen aus:
Der Weinbergbesitzer beauftragt nämlich seinen Verwalter, bei den Arbeitern der letzten Stunde mit der Auszahlung zu beginnen. Da diese einen Denar erhalten, meinen nun jene Arbeiter, die vom Morgen bis zum Abend im Weinberg gewesen sind, mehr zu erhalten. Aber auch sie bekommen einen Denar. Das wirft die Frage nach der gerechten Entlohnung auf. Jedenfalls erzeugt diese Praxis bei den Ganztagsarbeitern heftigen Widerspruch.

Der »Gutsherr«-Gott gibt in seiner Güte jedem das Zugesagte …
Verwunderung, wenn nicht Widerspruch regt sich aber auch bei uns, den heutigen Hörern des Gleichnisses. Warum? Weil die finanzielle Gleichbehandlung der Tagelöhner durch den Weinbergsbesitzer auch unsere Gerechtigkeitsvor­stellung empfindlich stört. Bringt solches Handeln nicht das auf Interessen­ausgleich beruhende Modell der Tarifpartnerschaft ins Wanken? Wo soll das (letztlich) hinführen, wenn die im vollen beruflichen Stress Stehenden mit Gelegenheitsarbeitern gleichgestellt werden?
Aber hören wir noch einmal in Jesu Ausführungen hinein, um vielleicht sensibler seine Gründe und differenzierter die Zwischentöne zu vernehmen, die das Handeln des Gutsbesitzers leiten.
Zunächst begegnet der Weinbergsbesitzer einem der murrenden Tagelöhner mit der Gegenfrage: »Mein Freund, dir geschieht kein Unrecht. Hast du nicht einen Denar mit mir vereinbart?« Sodann verweist er auf das uneingeschränkte Verfügungsrecht seines Eigentums: »Darf ich mit dem, was mir gehört, nicht tun, was ich will?« Und schließlich erkundigt er sich nach dem Grund des Murrens: »Oder bist du neidisch, weil ich (zu anderen) gut bin?« Damit wird geradezu gegensätzlich das lautere Denken des Gutsherrn deutlich, das niemanden benachteiligt, sondern allen ausschließlich Gutes tut.
Im Weinbergbesitzer, so erschließt es Jesus seinen Hörern, handelt nämlich kein anderer als Gott selbst. Deshalb erzählt er ja dieses Gleichnis. Der »Gutsherr-Gott« ist lauterste Güte. Und den Lohn, den Gott gibt, kann man überhaupt nicht aufgrund von irdisch-ausgleichender Gerechtigkeit erhalten. Gottes Lohn beruht einzig auf Gottes Gnade. Gnade heißt übersetzt: die absolut frei geschenkte Zuwendung Gottes zu den Menschen. Das ist das Herzstück der Botschaft Jesu. Davon uns mitzuteilen, deshalb ist er in unsere Welt eingetreten. So wie einem jedem Menschen bei der Geburt das Leben geschenkt worden ist, so wird es auch einmal bei dessen Tod sein. Da wird nicht mehr (in der Denar-Währung) ge- und verrechnet, da wird Gott jedem das ewige Leben als Geschenk anbieten. Dementsprechend sind »alle Tagelöhner« die Anwärter seines Geschenkes.

… aber ein Tarifpartner ist er nicht
Was heißt das für uns? Niemals haben wir aufgrund eigener Arbeits- und Lebensleistung bei Gott einen Rechtsanspruch, so wie es analog mit der Entsprechung von Leistung und Lohn in der Tarifpartnerschaft gegeben ist. Wie gut; denn gerade darin besteht der Unterschied zum ewigen Heil. So wichtig die Tarifhoheit in unserer Welt zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist, weil beide Partner sich darauf verlassen können, so segensreich ist es für uns, dass in Jesu »Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg« jegliches Lohndenken aufgehoben ist. Das Gleichnis will des Weiteren keinerlei Richtlinien für gerechten Lohn aufstellen oder ein Plädoyer für humane Arbeitsverhältnisse halten, so wichtig diese Dinge im weltlichen Wirtschaftsleben alle sind. Das Gleichnis will einzig das große Bild von Gottes freischenkendem Erbarmen skizzieren, und dafür dürfen wir Jesus einfach dankbar sein.
Dass Gott einmal das verwerfliche »Heuschrecken-Verhalten« zur Rechenschaft ziehen wird, davon können wir getrost ausgehen; denn wie er in seiner Güte allen Redlichen das Leben schenkt, so wird er auch als Anwalt der Benachteiligten, jenen, die Unrecht taten, mit aller Entschiedenheit entgegen treten.

Ehrenfried Schulz

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