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Leseprobe 2
Siebzehnter Sonntag – 27. Juli 2008
I. Ein hörendes Herz – das wäre ja traumhaft! (1Kön 3,5.7–12)

Zielsatz: Nicht nur vom Herrscher, der sein Amt antritt, sondern in jeder menschlichen Begegnung wünscht man sich ein »hörendes Herz«. Es ist eine entscheidende ­Fähigkeit für ein friedvolles und gerechtes Miteinander unter den Menschen.


Ratschläge zum Amtsantritt
Wenn jemand einen neuen Posten antritt, so bekommt er viele gute Ratschläge. Ihm wird gesagt, worauf er in seiner neuen Position besonders achten muss. So geht es dem jungen Briefträger, der neu in seinen Zustellungsbereich eingewiesen wird; so geht es dem Bankangestellten, der neu in eine Abteilung kommt; so geht es der neuen Schuldirektorin, die plötzlich Chefin von über hundert Lehrerinnen und Lehrern geworden ist. Gute Ratschläge gibt es aber auch, wenn der Ministerpräsident oder der Erzbischof ihr Amt antreten.
Interessanter noch als die Ratschläge der anderen wäre es, zu erfahren, worin der Erzbischof selber oder der Ministerpräsident oder die Schuldirektorin oder der Bankangestellt oder auch der junge Briefträger selber das Wichtigste für ihre Tätigkeit sehen. Oft läuft so etwas ja nach der bayerisch-zuversichtlichen Philosophie ab: Schaun’g mer moi, dann seng’ ma’s scho! (= schauen wir einmal, dann werden wir es schon sehen.)

Der ideale König – davon kann man nur träumen
Die alttestamentliche Lesung berichtet vom Amtsantritt des Königs Salomo, der in die königlichen Fußstapfen seines Vaters treten sollte. Aufgeschrieben ist diese Geschichte im biblischen Buch der Könige. Dieses hat die besondere Eigenart, dass es sehr königskritisch ist. Denn die Könige Israels blieben meist hinter dem Bild eines idealen Königs weit zurück. So liest man bei der Nennung der Regierungsdauer der einzelnen Könige in aller Regel den auffälligen Zusatz »… und er tat, was dem Herrn missfiel.« Auch die Regentschaft von König Salomo war nicht so ideal und erfreulich, wie sie uns in frommen Büchern z.B. mit Tempelbau und salomonischem Urteil beschrieben wird. Es war ja Salomo, der den von Gott verurteilten Götzendienst zuließ; es war Salomo, unter dem die Einheit des Reiches zerbrach (vgl. 1 Kön 11,26–40).
Die Bibel hat es klug beschrieben: Das Ideal des Königtums erblickt man im Traum, in dem ja nicht der Mensch, sondern Gott der Handelnde ist. Im Traum ist Salomo König über ein großes Volk, »das man wegen seiner Menge nicht zählen und schätzen kann« (1 Kön 3,8). Und es gehört ganz in die Logik des Traums, das ein kleines und unbedeutendes Volk »groß« und »mächtig« ist, weil Gott die Herrschaft verleiht. Und der König wird »weise« genannt, weil er auf Gott und seinen Willen hört.
Ideal läuft daher im Traum der Dialog zwischen Gott und Salomo ab. Gott ergreift die Initiative und eröffnet das Gespräch. Er fordert Salomo auf, eine Bitte zu äußern, die er ihm erfüllen soll. Im Traum weiß der junge König um seine Unerfahrenheit im Regierungsgeschäft, er weiß z.B. nicht, wo und wann er militärisch angreifen oder sich zurückziehen soll (die Einheitsübersetzung sagt es etwas blasser: »Ich weiß nicht, wie ich mich als König verhalten soll«). Und im Traum weiß Salomo auch ganz genau, welches die wichtigste Fähigkeit in der Ausübung seines Königsamtes ist: ein hörendes Herz. Darum bittet er Gott – im Traum.

Das hörende Herz
Für den Hebräer ist das Herz nicht das Organ der Blutversorgung, die »Pumpe«, sondern schlechthin der Sitz der Weisheit, weil man vom Gehirn als Ort des Denkens, des Fühlens und der Erinnerung noch nichts wusste. Auch in einem uralten ägyptischen Totengebet kennt man das Herz als Ort der Erinnerung, wenn es heißt, dass das Herz nichts gegen den Toten aussagen möge. Später heißt es dann im Neuen Testament von Maria: »Und sie bewahrte alle seine Worte in ihrem Herzen.« Das Herz ist es, das den Willen und das menschliche Tun leitet.
Die Vorstellung vom idealen König geht aber noch weiter. Das Herz hat Ohren. Es kann nicht nur hören, sondern muss sogar hören, wenn es zwischen gut und böse unterscheiden will. Diese Unterscheidung macht die entscheidende Regierungskompetenz aus. Sie ist die Grundlage dafür, dass der König gerechte Urteile sprechen kann.
Eine solche Fähigkeit hat das Herz nicht aus sich selbst heraus, sondern weil es ihm »eingegeben« worden ist, weil es mit seinem Ohr gehört hat. Auf wen? Gott ist es, der dem König eingibt, was zu tun ist. Hört er auf Gott, dann glückt seine Regierung, hört er nicht auf ihn, dann tut der König, »was dem Herrn missfällt«.
Wir sollten ruhig mal wieder auf den guten alten Wortschatz zurückgreifen und uns in Erinnerung rufen: Das Wichtigste ist es, auf den Willen Gottes zu hören und diesen zu tun.
Der ideale König hört aber nicht nur auf Gott. Er hört auch auf die Menschen, die mit ihren Sorgen, Nöten und Anliegen zu ihm kommen. Ein König, der nicht auch auf die Menschen hört, handelt »unerhört«. Es gibt kaum eine größere Anerkennung für einen Regierenden als wenn die Menschen von ihm sagen: er hört uns zu. Es wäre wirklich »traumhaft«, wenn der Vorgesetzte ein »hörendes Herz« hat!

Nur für den idealen König wichtig?

Ich finde, die Bitte um ein »hörendes Herz« ist nicht nur wichtig für Könige, Ministerpräsidenten, Erzbischöfe, Schuldirektoren und für alle, die ein hohes Amt bekleiden, sondern für jedermann – also auch für Leute wie Sie und ich. Bei mir, der ich kein bedeutendes Amt bekleide, ist das hörende Herz genauso wichtig. Die anderen brauchen mein hörendes Herz, wenn ich mit ihnen in gutem Kontakt bin, in der Partnerschaft, in der Familie, im Beruf, in der Freundschaft und in der Nachbarschaft, ja sogar beim zufälligen Zusammentreffen im Bus oder in der U-Bahn. Ein »hörendes Herz« weiß, »was sich gehört«.

»Man sieht nur mit dem Herzen gut«

Was in der biblischen Salomo-Geschichte hörendes Herz heißt, drückt Antoine de Saint-Exupéry im Bild des Sehens aus. Es sprach der Fuchs zum kleinen Prinzen: »Hier ist mein Geheimnis. Es ist ganz einfach: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentlich ist für die Augen unsichtbar.«

Hubert Brosseder

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